THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

Sie ist die Ingeborg Bachmann des Jazz oder die Sylvia Plath des Blues: die 1915 in Philadelphia geborene US-amerikanische Sängerin Billie Holiday, die zu den bedeutendsten Jazz-Interpretinnen des20. Jahrhunderts gehörte. Ihr berühmtestes Lied, „Strange Fruit“, handelt von den Opfern rassistischer Lynchmorde in den USA der 1930er Jahre. Bei den „seltsamen Früchten“, die diesem Lied den Titel gaben, handelt es sich um die verbrannten Körper ermordeter Schwarzer, die den süßen Duft der Magnolienbäume, an denen sie aufgehängt wurden, mit dem Geruch von verbranntem Fleisch durchsetzen. Mit Billie Holiday wurde der Blues politisch. In ihren Liedern verschmolz ätzende Gesellschaftskritik mit lasziver Erotik. Als Billie Holiday um 1930 zum Star wurde, durften schwarze Künstler*innen die Clubs, in denen sie auftraten, nur durch den Hintereingang betreten, so stark war die Gesellschaft damals noch von Diskriminierung und Rassentrennung geprägt. Erst Ende der 1960er Jahre begann ein Umbruch. Da war Billie Holiday schon tot. Gestorben auch an den Folgen der rassistischen Demütigungen, der tief in sie eingesickerten Geschichte der Sklaverei, deren destruktive Energie sie mit Drogen zu betäuben versuchte. 1959 starb sie im Alter von 44 Jahren an den Folgen des Raubbaus, den sie mit ihrem Körper getrieben hatte. Noch an ihrem Sterbebett standen Polizisten, um sie wegen Drogenbesitzes zu verhaften. Zu ihrem 100. Geburtstag brachte das Wiener Theater in der Josefstadt 2015 eine Hommage an die Jahrhundertkünstlerin heraus: „Blue Moon“. Die Schauspielerin und Sängerin Sona MacDonald wurde für ihre Darstellung Billie Holidays erst kürzlich mit dem österreichische Theater­oscar „Nestroy“ ausgezeichnet. Nun verbreitet die gefeierte Produktion pünktlich zu den Feiertagen ihren düsteren Glanz auch in Berlin! (Renaissance Theater: „Blue Moon“, Premiere 20. 12., 20 Uhr. Bei der Silvestervorstellung ist im Kartenpreis sogar ein Glas Champagner enthalten, www.renaissance-theater.de)

Im Ballhaus Ost kommt am 15. Dezember das neue Stück von „Das Helmi“ heraus: „Fatrasien“, eine surrealistische und dem Bekunden der Macher zufolge auch größenwahnsinnige Reise durch die Kunst- und Kulturgeschichte, in der u. a. Josephine Baker, Picasso und Michelangelo als Schaumstofffiguren wiederauferstehen werden und sogar der Regisseur Wim Wenders sowie Franz Marcs blaue Pferde Gastschaumstoffrollen spielen sollen. Schnalzender Gesang von Emojis und das Stöhnen von Seeelefanten wird ebenfalls versprochen (Ballhaus Ost: „Fatrasien“, 15., 16., 17. , 18. , 21. & 22. 12., jeweils 20 Uhr.)

Ja. Und dann ist ja auch bald schon Weihnachten.