Lisbeth Schröder schaut über die Feiertage in den Universitäten vorbei
: Hallo, ist hier jemand?

Ende Dezember ist die Uni ein stiller und leerer Ort. So war es jedenfalls im vergangenen Jahr, als ich vor Weihnachten in der Bibliothek saß und an meiner Bachelorarbeit schrieb. Fast kein Mensch weit und breit. Ich hätte wild rumspringen oder tanzen können – es hätte niemanden interessiert. Etwa dreißig Leute befanden sich damals mit mir in den Weiten der 10.000 Quadratmeter großen Campus-Bibliothek der Freien Universität (FU) – das heißt 300 Quadratmeter für jede*n – juhu! Dieses Jahr besuche ich die Uni zu Jahresende und schaue, ob die ersten Studierenden schon wieder die Arbeit aufnehmen. An der FU habe ich keinen Erfolg – sie macht zum Sparen der Betriebskosten von Weihnachten bis Neujahr komplett dicht. Aber wohin sind dann die fleißigen Studierenden?

Ich versuche sie im Hauptgebäude der Humboldt-Universität (HU) zu finden und werde enttäuscht: Ein Mädchen posiert lasziv für ein Foto auf den Marmorstufen, während überwiegend Tourist*innen Bilder von Nobelpreisträger*innen bestaunen. „We like it here“, erzählen Nuria und Marta aus Barcelona: „except of the creepy parts“, sie zeigen auf die dunklen Gänge, in die man seitlich hineinblickt.

Erdnüsse, Kritzeleien und ein knallblauer Anzug

Am Grimm-Zentrum, der Bibliothek der HU, ein paar hundert Meter weiter zeichnet sich ein anderes Bild. Junge Menschen schlendern im Eingangsbereich hin und her oder plaudern angeregt. Es seien weniger Besucher als während des Semesters, erzählt Anna Heinroth von der Auskunft, aber mehr, als sie gedacht hätte. Einer fällt im Treiben besonders auf: Christoph Grosswiler, ein etwas älterer Herr im knallblauen Anzug, der sich extra Tisch, Stuhl und Blume von zu Hause mitgebracht hat. Inmitten des kleinen Treibens kritzelt er hastig Notizen auf kleine Post-its und klebt sie sauber sortiert auf DIN-A4-Blätter. „Dieser Mikrokosmos, den ich hier erlebe, kann nur ein Abbild der ganzen Welt sein“, erzählt er, und dass er jeden Tag hier sei und meistens aufgeschnappte Zitate niederschreibe.

Aber nicht nur Christoph nutzt die Zeit zwischen den Jahren für Fleiß und Denkanstöße: Im Eingangsbereich des Grimm-Zentrums sitzen zudem ein Webdesigner, der einem Freund gerade bei der Masterarbeit hilft, eine Kunstgeschichte-Studentin, die, wie sie sagt, gerade zwischen „sehr effizienten Phasen“ prokrastiniere, und eine Medizinphysik-Studentin, die Erdnüsse futtert. Letztere findet es schade, dass das Grimm-Zentrum nur bis 17 Uhr geöffnet hat. Für die besonders Strebsamen aber gibt es noch die Volkswagen-Bibliothek der Universität der Künste und der Technischen Universität. Sie öffnet sogar zwischen den Jahren bis 20 Uhr. Hier würde ich wohl noch mehr Studierende finden, aber für mich war das jetzt genug Fleiß zwischen den Jahren.