Spritfrei in den Himmel

Verkehr Die Elektrifizierung der Luftfahrt schreitet voran. Für 2017 plant Airbus die erste Serienproduktion von Elektrofliegern. Hybridelektrische Passagiermaschinen folgen

Fliegerei bald ohne Kondensstreifen? Foto: Bert Bostelmann

von Luca Spinelli

BERLIN taz | Geräuschlos ziehen die Schatten einiger Wolken über die grünen Hänge der Schweizer Alpen. Einige hundert Meter darüber schwebt ebenso geräuschlos eine zweisitzige Propellermaschine. Unter dem Rumpf schnurrt ein Elektromotor. In der Nähe von Stuttgart ist der Flieger vor anderthalb Stunden gestartet. Das heutige Ziel: der norditalienische Flughafen Calcinate del Pesce. Morgen: die Revolutionierung des Flugverkehrs.

„Es herrscht große Aufbruchstimmung“, sagt Andreas Strohmayer, Leiter des Bereichs Flugzeugentwurf am Institut für Flugzeugbau der Uni Stuttgart. Im Sommer 2015 bewiesen die Forscher mit der Alpenüberquerung ihres Elektrofliegers die Marktreife batterieelektrisch betriebener Kleinflugzeuge. „Jetzt sind die Hersteller dran“, fordert Strohmayer.

Damit ist in Europa vor allem eine Firma gemeint: Airbus. In einem Produktionswerk in Frankreichs Südwesten soll 2017 das „erste komplett elektrische und nach internationalen Zulassungskriterien zertifizierte Flugzeug der Welt“ entstehen – das kündigt Airbus bereits an. Nach dem Jungfernflug 2017 sollen im folgenden Jahr die ersten Elektroflieger auf den Markt kommen.

„Der Zeitplan ist sportlich“, glaubt Strohmayer von der Uni Stuttgart. Insbesondere die Zulassung sei sehr aufwändig und koste „unglaublich viel Geld“. Die heutigen Zulassungskriterien seien stark auf bestehende Strukturen ausgerichtet. Auf dem Gebiet der elektrischen Luftfahrt gebe es allerdings nur wenige Produkte. „Man arbeitet im Prinzip gegen ein nicht bestehendes Regelwerk“, so Strohmayer. Besonders die kleineren Hersteller scheuen diesen enormen Aufwand. Viel hängt also vom Engagement der Großen ab.

Im April 2016 kündigten Siemens und Airbus eine exklusive Kooperation für die Entwicklung von hybridelektrischen Flugzeugen mit mehr als 20 Sitzplätzen an. „Bis 2030 erwarten wir die ersten Flieger mit einer Reichweite von rund 1.000 Kilometern und einer Kapazität für bis zu 100 Passagiere“, sagt Siemens-Sprecher Florian Martini. In einem gemeinsamen Forschungsstandort in Ottobrunn bei München arbeiten aktuell 200 Mitarbeiter beider Unternehmen an der Entwicklung von elektrischen Antriebssträngen in verschiedenen Leistungsklassen.

Welche technologische Lösung sich durchsetzen wird, ist noch unklar. Doch eines ist sicher: Flugzeuge komplett ohne eigene Energieerzeugung werden auf absehbare Zeit keine Rolle spielen. „Mit Airbus arbeiten wir nicht an reinen batterieelektrischen Konzepten“, sagt Siemens-Sprecher Martini. Für gewisse Nischenmärkte, wo eine kurze Flugdauer ausreicht, könnten ausschließlich elektrisch betriebene Flugzeuge sinnvoll sein.

Für große Verkehrsflugzeuge gilt das nicht. „Die heutigen Batteriesysteme sind dafür nicht geeignet, und mittelfristig wird sich daran auch nicht viel ändern“, erklärt Martini. Die Technologie der Zukunft sind Hybridlösungen. So könnte beispielsweise eine Gasturbine im Rumpf als Generator Strom für den Elektromotor erzeugen. Start und Landung erfolgten dann elektrisch und entsprechend emissions- und geräuschfrei. Während des Flugs lieferte dann ein Generator Strom und würde so längere Reichweiten ermöglichen. Durch diese Kombination halten die Entwickler von Siemens – eine verbesserte Aerodynamik eingerechnet – die Einsparung von bis zu 50 Prozent des Treibstoffs für möglich.

Besonders für die Fluggesellschaften eröffnet diese Entwicklung große Chancen. So nähert sich auch Lufthansa der Elektromobilität an – wenngleich noch nicht in der Luft. Das Unternehmen lässt momentan einen „E-Schlepper“ am Frankfurter Flughafen erproben, der Flugzeuge bis zur Größe eines Airbus A380 rein elektrisch ziehen kann. So können sich die Flugriesen elektrisch rollend langsam an die Zukunft gewöhnen.