Kiew zieht Reißleine

Ukraine Die größte Bank des Landes gerät wegen mutmaßlicher Korruption in Turbulenzen. Um sie zu retten, wird sie erst einmal verstaatlicht. Das kann kosten

Jetzt geht es darum, die Bankkunden zu beruhigen Foto: Efrem Lukatsky/ap

von Bernhard Clasen

MÖNCHENGLADBACH taz | Rettung in letzter Sekunde, sagt die Regierung, „typische feindliche Übernahme“, der bisherige Besitzer. Was ist passiert? Am Sonntag hat die Regierung in Kiew das größte Kreditinstitut der Ukraine zu 100 Prozent in staatliches Eigentum übernommen. Die PrivatBank, die rund 20 Millionen Kunden hat und gut ein Drittel der Spareinlagen im Land verwaltet, hatte Insolvenz angemeldet, ihr Zusammenbruch hätte nach Aussage der Regierung unabsehbare Auswirkungen gehabt.

„Wir haben das einzig Richtige getan, um die Bank und damit die Einlagen ihrer Kunden zu retten“, begründete Präsident Petro Poroschenko die Verstaatlichung. Man habe nicht „den Kopf in den Sand stecken“ und auf das „endgültige Ende der Bank“ warten können.

Oligarch Ihor Kolomojskyj, der bisher mit knapp unter 50 Prozent den größten Anteil der Bank gehalten hat, spricht dagegen von einem „Überfall“. Der Milliardär war nach der Maidan-Revolution einer der mächtigsten Männer des Landes geworden, dann aber mit Poroschenko in Streit geraten.

Auch in der PrivatBank hält man die Aktion für eine Kampagne feindseliger Kräfte. Dmitrij Dubilet, der die IT-Abteilung der Privatbank leitet, erklärte, die Zahlungsunfähigkeit sei durch Falschmeldungen herbeiführt worden. So habe der Fernsehkanal Inter die Kunden vor einer bevorstehenden Insolvenz gewarnt und damit einen Ansturm auf die Konten provoziert, mit dem die Bank nicht fertig geworden sei.

Nach verschiedenen Medienberichten haben faule Kredite die Bank tatsächlich in Schwierigkeiten gebracht: Sie soll hohe Darlehen an Unternehmen vergeben haben, die von Kolomojskyj kontrolliert werden, eine Rückzahlung sei nicht geplant gewesen. Anfang Dezember hatte die Bank ein Minus von umgerechnet um die 5,4 Milliarden Euro. Die Zentralbank forderte eine Rekapitalisierung. Deren Chefin Valeria Gontarewa sagte am Montag, man habe die Lage nun im Griff.

Einer der ersten ukrainischen Politiker, der sich hinter die Verstaatlichung stellte, war der Chef der Radikalen Partei, Oleg Ljaschko. Er habe bisher kein Konto bei der PrivatBank gehabt, sagte der Politiker. Doch nun werde er eins eröffnen, um zu zeigen, dass er den neuen Besitzern vertraue.

„Wir konnten nicht den Kopf in denSand stecken“

Präsident Petro Poroschenko

Viele private Kunden sind allerdings verunsichert. Ella, eine Kiewer Sportlehrerin, die nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, sagt, sie wisse nicht, was sie jetzt tun solle. Man habe ihr zwar bei der PrivatBank versichert, alles werde wie gewohnt weitergehen. Als sie nach einem Termin fragte, sagte man ihr, dass die Bank demnächst für einen Tag geschlossen habe, aber nicht, wann genau. „Ich muss ihnen vertrauen. Ich werde mein Geld nicht abheben“, sagt sie.

Die Regierung will die PrivatBank nach erfolgter Sanierung wieder verkaufen. Die ukrainischen Steuerzahler könnte das teuer zu stehen kommen. Bankenexperte Oleg Ustenko schätzt die Kosten für die Stabilisierung in der Tageszeitung segodnya.ua auf umgerechnet mehr als drei Milliarden Euro.

Meinung + Diskussion