Stress im Paradies

Tennis Heute beginnt das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres. Titelverteidigerin Angelique Kerber ist noch nicht in Form – und sagt vorausschauend ihre Teilnahme am Federation Cup ab

Nachdenken, Hirn einschalten! Angi Kerber und DTB-Trainerin Barbara Rittner in Melbourne Foto: dpa

MELBOURNE taz | Der offizielle Teil der Pressekonferenz war beendet, als Angelique Kerber und Barbara Rittner die kleine Mannschaft der deutschen Journalisten in einen Nebenraum baten. Die Konstellation mit der Bundestrainerin und Chefin des deutschen Fed-Cup-Teams ließ schon ahnen, worum es gehen würde. Am 11. und 12. Februar wird die deutsche Mannschaft zur ersten Runde im Fed Cup gegen die USA auf Maui/Hawaii erwartet. Eine Reise und ein Ziel, auf das sich jede Einzelne zu einer anderen Zeit des Jahres sehr gefreut hätte, aber in diesem Kontext ist die Sache strapaziös und kompliziert. Man sah sofort, dass es Kerber schwerfiel, die richtigen Worte zu finden. Aber dann sagte sie: „Ich habe mit Barbara lange geredet, und ich habe schweren Herzens abgesagt. Das ist einfach zu weit und zu stressig in den nächsten Monaten.“

Die Sache sieht so aus: Die deutsche Mannschaft wird am 5. Februar in Frankfurt Richtung Hawaii aufbrechen. Unmittelbar nach der Partie wird Kerber beim Turnier in Doha am Persischen Golf erwartet, knapp 14.000 Flugkilometer entfernt. In der Woche danach ist das Turnier in Dubai dran, Anfang März folgt Indian Wells in Kalifornien, und von Dubai nach Indian Wells sind noch mal 13.200 Kilometer. Der extreme Wechsel der Zeitzonen und viele im Flugzeug verbrachte Stunden sind sicher nicht die Basis für Erfolge im Frühjahr und zur Verteidigung der Spitzenposition in der Weltrangliste.

Im vergangenen Jahr hatte Angelique Kerber nur eine Woche nach ihrem großen Sieg in Melbourne in der ersten Fed-Cup-Runde in Leipzig gespielt. Barbara Rittner sagt, damals habe sie gesehen, welche Bedeutung dieser Wettbewerb für ihre Beste habe: „Sie hat sich gestellt und hat alles gegeben, das werde ich ihr nie vergessen. Wenn ich sie diesmal hätte beraten sollen, hätte ich sie in die Richtung beraten, für die sie sich nun entschieden hat.“ Beiden fiel es nicht leicht, mit der Situation umzugehen, aber es gab wohl keine andere Lösung, ohne Kerbers weitere Pläne zu gefährden. Für das Halbfinale oder bei einer Niederlage auf Hawaii für die Playoff-Runde Ende April stehe sie auf jeden Fall wieder zur Verfügung.

Als die Amerikaner sich im Oktober für ihren 50. Bundesstaat als Austragungsort entschieden, taten sie das womöglich auch mit dem Hintergedanken, die Spitzenspielerin des Gegners werde sich den ausgedehnten Trip nicht zumuten wollen. Auf die Frage, ob die Amerikaner nun ihr Ziel erreicht hätten, antwortete Angelique Kerber: „Das kann man, glaub ich, so sagen.“ Aber die Entscheidung der Gastgeber liegt innerhalb der Regeln, und auch die eigenen Spielerinnen müssen zusätzliche Flugkilometer einplanen. Kerber wird dem Team die Daumen drücken, und die Bundestrainerin wird sich Gedanken machen müssen. „Klar“, sagt sie, „wir sind dadurch geschwächt, wir sind Außenseiter und müssen bisschen umdenken. Aber dann kriegen vielleicht andere eine Chance, die sonst nicht spielen würden. Und wir sagen der Angie dann, wie schön Hawaii ist.“ Doris Henkel