*Na, verstanden? Im Arabischen wird von rechts nach links gelesen. Das ist gar nicht so einfach – trotzdem wollen viele BerlinerInnen die Sprache lernen Foto: Karsten Thielker

Berlin spricht *Arabisch

Sprachtrend Privatschulen verdreifachen ihre Kursangebote, Volkshochschulen führen Wartelisten: Arabisch lernen liegt derzeit voll im Trend. Wer dabei wirklich Erfolg haben möchte, braucht vor allem eines: Geduld

Von Alke Wierth

Dieses verdammte Ayn! Dieses tricky Qaf! Buchstaben, deren Aussprache klingt, als wolle man den Laut gleichzeitig ausstoßen und herunterschlucken. Für Deutsche, die Arabisch lernen wollen, gewöhnungsbedürftig – und ziemlich schwer. Aber auch ziemlich wichtig: Denn das Qaf etwa macht den Unterschied zwischen „kalb“ und „qalb“: „Hund“ oder „Herz“.

Und auch arabische MuttersprachlerInnen haben so ihre Probleme mit manchen deutschen Lauten. Arabisch kennt keine Unterschiede etwa zwischen B und P oder O und U. Umlaute gibt es nicht. Paar, Bar? Kuchen, kochen? Das klingt für arabische Ohren ziemlich gleich. Im Arabischen bilden meist Konsonanten den Kern eines Worts. D, R und S etwa den fast all derjenigen, die sich um Lernen und Schule drehen: Ders, der Unterricht. Stellt man ein Me- davor, hat man die Medrese, die Schule, mit einem Mu- Mudares, den Lehrer. Logisch – nur eben anders logisch als Deutsch.

Wer neue Sprachen lernt, entdeckt neue Welten. Wie spricht man andere Menschen an, wie fragt man nach etwas, wie verneint man? Man nähert sich einer anderen Konstruktion von Realität – und lernt im besten Fall, die eigene ebenfalls als Konstruktion zu begreifen: einer der vielen Vorteile davon, gleich mehrsprachig aufzuwachsen.

In Berlin ist die Zahl privater Sprachschulen oder selbstständiger PrivatlehrerInnen riesig, das Angebot auch. Von Albanisch bis Vietnamesisch etwa reicht die Palette des Sprachen­ate­liers in Friedrichshain, insgesamt kann man hier 50 Sprachen lernen. Zwei laufen gerade besonders gut, berichtet Musa Aktas, eineR der zwei ChefInnen des Sprachenateliers: Arabisch und Deutsch.

Die DeutschschülerInnen sind die vielen Neuzuwandernden, die seit einigen Jahren nach Berlin kommen. Und auch die steigende Nachfrage nach Arabischkursen hat mit Zuwanderung zu tun.

Seit etwa zwei Jahren steige die Nachfrage nach Arabischkursen unaufhörlich, so Sprachschulenchef Aktas: „Derzeit haben wir 12 Kurse parallel.“ Auch Selamawit Andemariam, Chefin des kleineren Sprachsalons in Neukölln merkt das: „Früher hatten wir einen Arabischkurs, jetzt drei.“ Die Volkshochschule (VHS) Tempelhof-Schöneberg hat ihr Angebot an Arabischkursen von 23 im Jahr 2014 auf 36 im vergangenen Jahr erhöht. Die Zahl der SchülerInnen stieg um 60 Prozent. Für Anfängerkurse gibt es mittlerweile Wartelisten.

Auch an der VHS Friedrichshain-Kreuzberg hat sich die Zahl der Arabischkurse seit zwei Jahren um ein Drittel erhöht. Es seien vor allem in der größten Altersgruppe unter den Teilnehmenden, den 25- bis 50-Jährigen, solche, „die sich beruflich oder ehrenamtlich für Geflüchtete aus arabischsprechenden Ländern engagieren“, heißt es von dort. Beide Volkshochschulen bieten mittlerweile auch kostenlose Arabischworkshops für FlüchtlingshelferInnen an. Auch dort sind die Wartelisten lang.

„Um 200 Prozent“, schätzt der gebürtige Ägypter Mido Hafez, 34, seit neun Jahren Arabischlehrer in Berlin, sei die Zahl seiner SchülerInnen in den vergangenen zwei Jahren gestiegen. „Früher waren es vor allem drei Gruppen, die zum Arabischlernen kamen: Leute, die Politik, Sozialarbeit oder Internationale Beziehungen studieren oder in solchen Bereichen arbeiten, junge Menschen mit einem arabischen Elternteil, die hier aufgewachsen sind, aber nicht Arabisch gelernt haben, oder Touristen.“ Jetzt seien es vor allem „Freiwillige, die mit Flüchtlingen arbeiten“, so Hafez. Dass die Arabischlernenden zu 70 Prozent Frauen seien, habe nichts zu bedeuten, sagt Musa Aktas: „Das ist bei allen eher ungewöhnlichen Sprachen so.“ Männer lernten lieber Englisch: „Weil sie denken, das nützt ihnen im Beruf.“

Im Intensivkurs Arabisch bestätigt sich das Bild: Hier sitzen ÄrztInnen, die mit Geflüchteten zu tun haben, Ehrenamtliche, Beschäftigte aus Flüchtlingsunterkünften – zwei Männer, sieben Frauen. Der einzigen Teilnehmerin, die für Reisen nach Tunesien Arabisch lernen will, wird ein anderer Kurs empfohlen. Denn auch das kommt beim Arabischlernen dazu: Zwar gibt es Hocharabisch, doch in den verschiedenen arabischen Ländern werden sehr unterschiedliche Dialekte gesprochen. Wer mit einem Palästinenser reden können möchte, könnte das noch lange nicht mit einem Marokkaner.

Überhaupt: das Sprechen. In Arabischkursen wird in der Regel zunächst die andere Schrift gelehrt. Sie verbindet das Arabisch der verschiedenen Länder – nicht aber die Aussprache und die Wortwahl. Frustrierend für die SchülerInnen, denn mit den neu erlernten hocharabischen Sätzen kommt man im Alltag nicht unbedingt weit. Eine Erfahrung, die viele ArabischlernerInnen schnell wieder aufgeben lässt, wie Mido Hafez weiß: „Man braucht Geduld.“

Makel oder Chance? Zu Besuch in einer Arabischklasse in Wedding ▶SEITE 44–45