Die Gesellschaftskritik
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Zu einer milchproduzierenden Brust gehört ein Kind Foto: reuters

Die Befragung der Brust

WAS SAGT UNS DAS? Am Frankfurter Flughafen musste sich eine Frau Milch aus der Brust quetschen, da sie mit Milch­pumpe reiste – aber ohne Baby

Weil den Beamten die elektronische Milchpumpe im Handgepäck einer Reisenden verdächtig vorkam, war am Flughafen Frankfurt Frau eine Frau nach der Sicherheitskontrolle beiseitegenommen worden. Gayathiri Bose aus Singapur befand sich auf dem Weg nach Paris. „Sie stillen? Wo ist dann Ihr Baby?“, hatten die Polizisten die Frau laut BBC ungläubig gefragt. Was sie auffällig gemacht hatte: Sie war mit Brustpumpgerät unterwegs, aber ohne Baby.

In einem Nebenraum dann wurde Bose von Polizistinnen aufgefordert, ihre Brust zu entblößen und Milch herauszuquetschen. Ein drastischer Eingriff, zumal – verkehrte Logik – die Feststellung des Milchflusses offensichtlich als Beweis der Unbedenklichkeit der Brustpumpe dienen sollte. Erst als auch das verdächtige Gerät überprüft worden war, durfte die Mutter eines Säuglings weiterreisen. „Gedemütigt“ habe sie sich gefühlt, sagte Bose der BBC. Nun lässt sie rechtliche Schritte prüfen.

Es ist erstaunlich, wie die Mutterschaft Frauenkörper zu einer Art Gemeingut werden lässt – etwa über die Regelungen, wo und wie gestillt werden darf. Nun hat schon Michel Foucault beschrieben, wie sich Machtstrukturen über die Kontrolle und Vorführung von Sexualität und Körpern entfalten. Dass dies explizit Frauen betrifft, ist nur folgerichtig: Qua potenzieller Mutterschaft hat die moderne Gesellschaft immer schon Anspruch auf deren Körper, da in ihm ein neues Gesellschaftsmitglied heranwächst. Dazu gehören Zurechtweisung und auch Überprüfung in der Öffentlichkeit.

Die Präsentation von Körperflüssigkeiten, die einzige Manifestation der Terra incognita Frau (weibliche Lust, menschliche Fortpflanzung), war dabei lange Zeit entscheidend. Um die Jahrhundertwende 1900 etwa wurde ein enger Zusammenhang zwischen der Modekrankheit Hysterie – der weiblichen Form von Nervosität – und der weiblichen Sexualität hergestellt. Es hieß, Kinderlose seien hysterisch, da sie ihre Vorherbestimmung unterliefen. Welche Therapie entwickelten die Ärzte? Eine manuelle. Sie massierten Vulva und Vagina, um eine heilende „hysterische Krise“ (Orgasmus) hervorzurufen. Zwangsweise. Als Beweis des Erfolgs galt der Austritt von Flüssigkeit – sie wurde vorgezeigt. Weil man sie vorzeigen konnte.

So wie auch nach der ersten Ehenacht in vielen Kulturen das Blut auf dem Laken als materieller Beweis der Jungfräulichkeit diente. Das Nach-außen-Kehren des Intimsten ist eine Erniedrigung, aber vor allem eine Ermahnung: Die Gesellschaft hat Anspruch auf dein Innerstes. Es ist eine verkehrte Welt, in der nicht die Frau, sondern der Körper der Frau befragt und in die Beweispflicht genommen wird. Und ein Akt der Gewalt. SVO