An der Oberfläche

Moral „The Dinner“ ist grundsolides, jedoch nicht herausforderndes Kino (Wettbewerb)

Wir sind im Krieg“, heißt es in Oren Movermans Kammerspiel, nein, Kammerdrama „The Dinner“, das am Freitag ein wenig Hollywood in den Wettbewerb brachte. Glanz nur bedingt, denn im Guten wie im Schlechten ist dieser Film geradezu emblematisch für das Wettbewerbsprogramm unter Dieter Kosslick.

Allein dass der Erzählrahmen des Films ein langes, ausgiebiges Abendessen in einem Luxusrestaurant ist, dürfte dem bekanntlich besonders an kulinarischen Reizen interessierten Festivalchef gefallen haben. Hier treffen sich der Kongressabgeordnete Stanley (Richard Gere) und seine Frau Kate (Rebecca Hall), dazu Stans Bruder Paul (Steve Coogan), ein Geschichtsprofessor mit großem Interesse besonders an der amerikanischen Historie, an den Kriegen, in die die Nation seit ihrer Gründung fast dauerhaft verstrickt ist, und dessen Frau Claire (Laura Linney).

Freunde sind die Brüder nicht, in langen Rückblenden deutet Moverman die Verwerfungen an, die die Familie in einen Zustand des Kalten Kriegs gebracht haben, der im Laufe des Abends in einem heißen zu eskalieren droht. Denn das Treffen hat einen speziellen Grund: Die Söhne der Brüder haben während einer durchfeierten Nacht ein grausiges Verbrechen begangen. Sie beschmissen eine Obdachlose im Kabuff eines Geldautomaten mit Müll und zündeten sie dann an. Dass sie ihre Tat auch noch mit dem Handy gefilmt haben, überrascht nicht und passt zur gesellschaftskritischen Haltung eines Films der Berlinale-Ära Kosslick.

Movermans Film basiert auf dem 2009 veröffentlichen Roman gleichen Namens des Holländers Herman Koch und ist schon die dritte Verfilmung des Stoffs, was zeigt, wie universell die hier verhandelte Thematik ist. In seiner Adaption fokussiert der Regisseur die Gräben, die die einst stolze Nation durchziehen, auf grundsätzliche Konflikte zwischen den grob in rechts und links unterschiedenen politischen Lagern.

Noch bevor die Möglichkeit einer Präsidentschaft Donald Trumps am Horizont auftauchte, begann Moverman mit der Arbeit an diesem Projekt, was zusätzlich zeigt, wie aktuell es ist. Werteverfall, kultureller Verfall, aber auch eine gewisse Selbstgerechtigkeit der Linken, hier verkörpert durch den stets besserwissenden Lehrer Paul, der glaubt, die Weisheit gepachtet zu haben – all diese Themen schwingen in „The Dinner“ mit, aber leider nicht als Subtext, sondern deutlich an der Oberfläche.

Das kammerspielartige Setting betont die Theatralik eines Films, der seine hehre Moral überdeutlich vor sich herträgt, was ihn – neben den ausführlichen Szenen, in denen kulinarische Köstlichkeiten serviert werden – zum idealen Berlinale-Wettbewerbsfilm macht, zumal er grundsolide gefilmt und gespielt ist und die Schauspieler mit großer Emphase wichtige, fraglos auch richtige Sentenzen vortragen, denen man als mehr oder weniger liberaler, kritischer Mensch nur zustimmen kann. Michael Meyns

11. 2., Friedrichstadt-Palast, 12.30 und 18.30 Uhr; 11. 2., Haus der Berliner Festspiele, 18.30 Uhr, und 15. 2., 12 Uhr