Urteil gegen Brandstifter aus der NPD: Acht Jahre Haft

Ein 29-Jähriger wird zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Der NPD-Stadtverordnete hatte in Nauen eine Flüchtlingsunterkunft angezündet.

Eine ausgebrannte Turnhalle

Die Turnhalle in Nauen nach dem Brandanschlag im August 2015 Foto: dpa

POTSDAM taz | Auch am Ende grinst Maik Schneider noch. Zu acht Jahren Haft wegen schwerer Brandstiftung verurteilt Richter Theodor Horstkötter am Donnerstagnachmittag den NPD-Mann. Hinzu kommen anderthalb Jahre für eine frühere Straftat, das Schmieren von Hakenkreuzen.

Und Horstkötter verliert deutliche Worte. Schneider und seine Mittäter hätten eine „Verachtung der Rechtsordnung und derjenigen, die hier Asyl suchen, bewiesen“. Sie hätten versucht, „Angst und Schrecken zu verbreiten“ und sich „Selbstjustiz angemaßt“.

Damit fällt das Landgericht Potsdam die härteste Strafe für eine Brandstiftung an einer Flüchtlingsunterkunft in jüngster Zeit. Ähnlich hatte kürzlich nur ein Gericht für einen Anschlag auf eine bewohnte Unterkunft in Salzhemmendorf geurteilt.

Im August 2015 hatte Schneider, bis zu seiner Verhaftung NPD-Stadtverordneter im Brandenburgischen Nauen, mit fünf Kumpanen die örtliche Turnhalle angezündet, die als Flüchtlingsunterkunft hergerichtet wurde. Nur eine Ruine blieb und 3,5 Millionen Euro Schaden. Zuvor schon hatte die Gruppe eine Sitzung des Stadtparlaments gesprengt, das örtliche Büro der Linken attackiert, das Auto eines Polen angezündet und einen Sprengsatz vor einem Supermarkt gezündet.

Die Würde des Menschen

Der Richter zitiert gleich zu Beginn seines Urteilsspruch den ersten Artikel des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. „Man kann das in diesen Tagen gar nicht oft genug wiederholen.“ In der Verhandlung sei es um „Grundfesten unseres Zusammenlebens“ gegangen, so Horstkötter. Diese hätten Schneider und seine Leute konterkariert: Die Unterkunft sollte den Flüchtlingen Schutz gewähren. „Mit der Brandstiftung aber wurde das Zeichen gesetzt: ‚Hier ist kein Platz für euch. Ihr könnt hier nicht in Frieden leben.‘“

Für Horstkötter ist klar, wer der Hauptverantwortliche war: Maik Schneider. Er sei der „Macher“ in der Planung für den Brandanschlag gewesen, er habe am Ende die vor der Turnhalle angehäuften Reifen, Paletten und Gasflasche entzündet. „Das hat er sich nicht nehmen lassen“, so Horstkötter.

Bürgermeister Fleischmann

„Den Schaden, den Herr Schneider in der Stadt angerichtet hat, wird er nicht mehr gutmachen können.“

Mit seinem Strafmaß folgt das Gericht weitgehend der Staatsanwaltschaft, die knapp neun Jahre Haft für Schneider gefordert hatte. Dessen Mittäter bekommen Freiheitsstrafen von acht Monaten bis sieben Jahren.

Schneider verfolgt das Urteil erst konsterniert, später teils kopfschüttelnd oder grinend. Schon die vorherige Verhandlung hatte der NPD-Mann zeitweilig ins Absurde gesteuert. Der 29-Jährige gab sich betont unbeschwert, versuchte Mitangeklagte unter Druck zu setzen und lieferte lange, krude Einlassungen.

Verteidiger auf Distanz

Er allein habe den Brand gelegt, behauptete der NPD-Mann. Er habe die Halle nur einrußen wollen, „als Signal“. Im Clinch mit seinem Verteidiger holte er sich einen zweiten Anwalt an seine Seite. Beide lagen selbst in ihren Plädoyers noch über Kreuz: Zweieinhalb Jahre Haft forderte der alte Verteidiger, fünf Jahre – ausgerechnet – der neue. Wegen dessen „schwerer politischen Kriminalität“, wie dieser betonte. Hätte Schneider nur ein Zeichen setzen wollen, hätte er Farbbeutel schmeißen können, argumentierte selbst sein Verteidiger.

Dem folgt auch Richter Horstkötter. „Höchstprofesionell“ seien die Verurteilten vorgegangen. Wiederholt hätten sich die Verurteilten bestärkt: „Die Halle muss brennen.“ Die eingesetzten Brandmittel seien „geradezu prädestiniert“ gewesen, ein großes Feuer zu entfachen.

Den ursprünglichen Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung hatten Staatsanwaltschaft und Gericht dagegen im Prozess fallen lassen – aus „prozessökonomischen Gründen“. Hörstkötter verteidigt den Schritt: Dies sei „keine Kapitulation“ gewesen. Eine feste Gruppenstruktur wäre schwer nachweisbar gewesen, der Strafrahmen ohnehin hoch gewesen.

Auch die Angeklagten hatten sich bemüht, sich als unpolitisch darzustellen. Ihre Tatbeteiligung schrieben sie ihrem Alkoholkonsum oder Schneiders Überredungstalent zu. Nur: Fast alle der Angeklagten waren regelmäßige Teilnehmer an Anti-Asyl-Protesten. Einer reiste für einen Neonazi-Aufmarsch gar bis nach Ungarn – und wurde bereits vor zwölf Jahren einmal verurteilt: als Mitglied der rechtsterroristischen Vereinigung „Freikorps Havelland“.

Verpasste Chance

Die Nauener Linken-Abgeordnete Andrea Johlige, deren Büro angegriffen worden war, bedauert daher den Rückzieher der Staatsanwaltschaft. „Es wurde die Chance vertan, das Umfeld und die politischen Hintergründe der Tat vollständig aufzuklären.“ Die Angeklagten hätten „natürlich genau gewusst, was sie taten“, so Johlige.

Auf die NPD wirft das Urteil auch so ein bezeichnendes Licht. Der Verfassungsschutz hatte der Neonazi-Partei wiederholt vorgeworfen, Anti-Asyl-Proteste zu befeuern. In Nauen nun ging ein Parteifunktionär weiter: Er wurde selbst zum Brandstifter. Man habe Schneider schon vor Wochen aus der Partei geworfen, behauptet am Donnerstag Brandenburgs NPD-Sprecher Florian Stein. Weil er in Haft keine Mitgliedsbeiträge zahlte. Jetzt, nach dem Urteil, hätte man Schneider auch so ausgeschlossen. „Wir distanzieren uns von solchen Taten.“

Im Potsdamer Landgericht sitzt indes auch Frank Kittler. Er war früher Schneiders Parteikollege in Nauen, im November trat er aus der NPD aus. Auch weil, wie Kittler sagt, sich die Partei nie glaubwürdig von dem Nauener Brandanschlag losgesagt habe. „Das hat mich schockiert.“

Nauenes Bürgermeister Detlef Fleischmann (SPD) begrüßt das Urteil. Dieses sei „ein deutliches Zeichen“ des Rechtsstaates. „Den – nicht nur materiellen – Schaden, den Herr Schneider in der Stadt angerichtet hat, wird er nicht mehr gutmachen können.“

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