Portrait
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Hat jetzt einen Grammy: Dorothea Röschmann Foto: dpa

Von so schöner Coolness

Manchmal geschehen Sachen, die sind im Grunde falsch und ungerecht. Aber wenn die Richtige profitiert – ist es eben doch wieder schön, und man freut sich darüber. So ist das auch bei Dorothea Röschmanns Grammy.

Denn es steht ja längst fest: Die 49-jährige Wahlhamburgerin ist eine herausragende dramatische Sopranistin. Sie ist derzeit eine der besten, wenn es darum geht, völlig aus der Fassung geratene Mozart-Heroinen mit Feuer durch Wut- und Verzweiflungskoloraturen zu jagen. Und spätestens seit ihrer sensationellen Contessa in Nikolaus Harnoncourts Figaro-Einspielung, ein echtes Vermächtnis des Dirigenten und ein Meilenstein in der Interpretation dieser Revolutionsoper, ist gesichert, dass das auch künftige Generationen noch erfahren.

Den Grammy aber hat sie für Kunstlieder gewonnen, eingespielt mit der Weltklassepianistin Mitsuko Uchida. Das 2015 aufgenommene Album hat auch seine Höhepunkte – aber auf die Idee, hier einen Höhepunkt der Jahres-Klassikaufnahmenproduktion zu hören, sind die Fachleute in Deutschland eher nicht gekommen. Auch in den USA, wo die zwei mit diesem Programm getourt sind, hatte es durchaus harte Verrisse gegeben.

So lobt Corinna da Fonsecca Wohlheim in der New York Times einigermaßen vergiftet die Schönheit von Röschmanns voluminöser und seidiger Stimme, die diese aber in der Carnegie-Hall dazu benutzt habe, Schumanns innige Melodiekunst beinahe zu erdrosseln, was sicher extra-fies formuliert und total ungerecht ist. Aber nachvollziehbar: „This was no dream-team“, hatte die Kritikerin sehr deutliche Zweifel am Sinn der Zusammenarbeit der Japanerin, die ein eher karges, rationales Klavierspiel pflegt, und der in Flensburg geborenen Sängerin angemeldet, zu deren Stärke die mitreißende emotionale Energie ihrer großen Stimme zählt.

Röschmann hat die nächtliche Preisverleihung in Los Angeles „wunderbar verschlafen“. Das hat sie dem NDR erzählt, glaubwürdig – und das belegt nicht nur die relativ bescheidene Bedeutung der Grammy-Awards in der Klassikwelt. Es ist auch von so schöner und Branchenklischees widersprechender Coolness, dass man ihr allein dafür die goldene Kleinplastik gönnen muss. bes