Giftige Blumen

Alltag Zwischen Broterwerb und Stromrechnung:
„Colo“ von Teresa Villaverde (Wettbewerb) ist staubtrocken

Villaverdes Film verlangt demZuschauer einigesab, Bespaßunggeht anders

Portugal in der (Wirtschafts-) Depression: Teresa Villaverde zeigt ein Land, das wie unter einer Decke zu stecken scheint. Kein Mucks dringt mehr nach außen und unten drunter rumort es. Nur selten wird der schwere Stoff angehoben: Was dann kommt, sind Schreie und manchmal ein paar eigenwillige Handlungen, denen die zwei, drei komischen Momente geschuldet sind, die es in „Colo“ gibt. Sie erst verdeutlichen, wie staubtrocken hier eigentlich alles bereits geworden ist.

Aus Villaverdes Film ist nämlich jegliche Energie entschwunden. Die Kamera bewegt sich gleich überhaupt nicht mehr, stattdessen wechseln die Bilder nur dank harter Schnitte. In „Colo“ fehlt das Schmiermittel, das offenbar erst alle Prozesse in Gang setzt: das Geld. Ein Zustand, der wahrscheinlich im ganzen Land vorherrscht, obwohl selbst dieses wie leergefegt anmutet. Auf den Straßen ist kein Mensch zu sehen, die Busse fahren nicht. Auch in der eleganten wie austauschbaren Neubausiedlung, in der „Colo“ aus sonderbarer Distanz eine Familie zu beobachten beginnt, lebt gefühlt sonst niemand.

„Colo“ ist ein Alltagsfilm über einen Alltag, der nicht mehr funktioniert. Das verlangt dem Zuschauer einiges ab, Bespaßung geht anders. Trotzdem gefällt sich der Film in einer Idee, die auskundschaftet, was hinter diesem Alltag aus Broterwerb und Stromrechnungen warten könnte, dessen Überwindung zwar unfreiwillig geschieht, deswegen aber nicht chancenlos ist.

Denn zumindest zwei Familienmitglieder machen eine Erfahrung, die von einem Dasein in Naturverbundenheit künden, wo es das Meeresrauschen gibt und Granatapfelbäume und zum Trocknen aufgehängten Aale. Der arbeitslose Vater (João Pedro Vaz) gelangt etwa recht unvermittelt in solch eine Situation, nachdem er den Mitarbeiter eines Unternehmens, das ihm kein Vorstellungsgespräch gewähren wollte, mehr oder weniger entführt hat. Sein Weg mündet schließlich in ein Gewächshaus, in dem unzählige Gerbera wachsen. Dass das Blumenwasser, dass er dort trinkt, mit Gift versetzt ist, ist eine weitere Botschaft von „Colo“, denn mit bloßem Landlust-Eskapismus ist dieser Krise nicht beizukommen, dessen ist sich Regisseurin Villaverde bewusst.

Auch Marta (Alice Albergaria Borges), die jugendliche Tochter des neuarmen Paares, spürt, dass etwas nicht stimmt mit ihren Eltern. Immerhin hat der Film für sie noch die Gefühle einer ersten Liebe vorgesehen, die zwar nicht nur schön sind, dafür aber kostenlos.

Carolin Weidner

heute, 12 Uhr und 21.30 Uhr, Friedrichstadt-Palast; 18. 2.,18 Uhr, Haus der Berliner Festspiele; 19. 2., 15.30 Uhr, Friedrichstadt-Palast