Ulrike Herrmann über den „Cum-Ex“-Untersuchungsausschuss
: Verkehrte Steuerwelt

Die „Steuergestaltung“ floriert: Dividenden sprudeln, Aktionäre zahlen fast nichts

Es handelt sich um einen der größten Nachkriegsskandale: Jahrelang haben die Banken den Fiskus betrogen und Milliarden an Steuern hinterzogen. „Cum-Ex“ hieß der Trick, bei dem man nur einmal Kapitalertragsteuer zahlte – sie dann aber mehrfach von den Finanzämtern zurückforderte.

Dieser Cum-Ex-Skandal ist nicht nur erschütternd, weil sich die Banken hemmungslos auf Kosten der Allgemeinheit bereichert haben. Genauso alarmiert, dass das Finanzministerium und die Bankenaufsicht jahrelang tatenlos zugesehen haben. Es wurde als Kavaliersdelikt behandelt, dass Reiche keine Steuern zahlten.

Der Superlativ des Wahnsinns ereignete sich 2007: Der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wollte das Steuerschlupfloch endlich schließen – indem er die Vorschläge des Bankenverbands übernahm. „Amtshilfe“ nannte er das. Für die Lobbyisten kam es wie gewünscht: Die „Cum-Ex“-Geschäfte wurden nicht eingedämmt, sondern explodierten.

Inzwischen gibt es einen Untersuchungsausschuss, und am Donnerstag musste Finanzminister Schäuble aussagen. Als Schurke eignet er sich nicht, denn immerhin hat er den Cum-Ex-Skandal beendet. Seit 2012 ist das Schlupfloch geschlossen.

Dennoch ist Schäubles Rolle seltsam, denn auch er hat jahrelang zugesehen, wie die Banken einen neuen Trick erfanden, der sich diesmal „Cum-Cum“ nannte. Wieder wurden Aktien hin und her gereicht, bis niemand mehr Kapitalertragsteuer zahlte. Seit 2016 ist auch dieses Loch geschlossen, aber erneut dürfte der Schaden in die Milliarden gehen – weil Schäuble viel zu spät aktiv wurde.

Die „Steuergestaltung“ floriert trotzdem. Denn obwohl die Dividenden sprudeln, zahlen die Aktionäre fast nichts: Mit der Kapitalertragsteuer nimmt der Staat jährlich nur etwa 9,3 Milliarden Euro ein. Da bringt sogar die Tabaksteuer mehr, nämlich 14,5 Milliarden. Verkehrte Welt: Raucher zahlen, aber nicht die Aktionäre.

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