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: Transferangst

BASKETBALL Um die Zukunft der formschwachen New York Knicks zu sichern, müsste Car­melo Anthony wechseln

In spätestens 15 Tagen herrscht Klarheit. Am 23. Februar um 15 Uhr amerikanischer Zeit endet die Transferperiode der NBA. Dann muss auch die Zukunft von Carmelo Anthony geklärt sein: Bleibt der Forward bei den New York Knicks oder bringt ihn ein Tauschgeschäft zu einem anderen Team? „Ich versuche, das alles nicht so nah an mich heranzulassen“, sagt Anthony. Die Diskussion über den 32-Jährigen bestimmt das Basketballgeschehen in New York und überstrahlt die aktuelle Krise von nur 8 Siegen aus den letzten 25 Partien. Wieder einmal enttäuscht das traditionsreiche Team die hohen Erwartungen, die vor der Saison mit dem Transfer des Aufbauspielers Derrick Rose noch befeuert wurden.

„Die ganze Mannschaft wirkt erschreckend lethargisch“, sagt Walt Frazier, Knicks-Legende und heute Ko-Kommentator der Spiele seines Exklubs. „Ich sehe keine Energie, aber viele hängende Köpfe.“ Das Team steht vorm großen Umbruch. Das Hauptproblem: Anthony ist wohl der einzige Spieler, für den andere Teams ein hochkarätiges Tauschgeschäft eingehen würden. Der junge Lette Kristaps Porzingis gilt als Zukunft der Knicks, ein Wechsel des 21-Jährigen scheint ausgeschlossen. „Mein Sohn, meine Familie, meine Freunde lassen mich positiv denken“, sagt Anthony selbst.

Anthony ist seit 2011 bei den Knicks, kam in einem Tauschgeschäft mit den Denver Nuggets zurück in seine Heimatstadt.

Hier wuchs der besonders offensiv begabte Anthony vor allem charakterlich, engagiert sich seit Jahren für Bürgerrechte, für Gleichberechtigung und gegen Rassismus. Auf dem Parkett ist er – als einziger Spieler der NBA-Geschichte mit gleich drei olympischen Goldmedaillen dekoriert – weiterhin wichtigster Offensivspieler des Teams. Die Defensive jedoch gehörte nie zu seinen größten Stärken, er kann seine meist noch unbedarfteren Mitspieler nur wenig anleiten. Zuletzt nutzten die Los Angeles Lakers am Montag die chronische Abwehrschwäche aus, führten die Knicks mit einfachsten Spielzügen beim 121:107-Auswärtssieg zeitweise vor. Buhrufe begleiteten den leblosen Auftritt.

In den letzten zehn Jahren wurden die Playoffs gleich sieben Mal verpasst, zuletzt zwei Mal hintereinander. Der unglücklich agierende Trainer Jeff Hornacek, seit Saisonbeginn im Amt, will aktuell nichts ausschließen – auch nicht einen Abgang Anthonys. „Natürlich wollen wir so schnell wie möglich in die Playoffs, allerdings müssen wir auch an unsere langfristigen Erfolgsaussichten denken“, sagt der 53-Jährige. Brisant: Anthonys Vertrag beinhaltet eine Klausel, die ihm die letzte Entscheidung über einen Wechsel lässt. Um einen Transfer zu ermöglichen, müsste er zustimmen. Das ist relativ unwahrscheinlich.

„Meine Willenskraft wird aktuell ziemlich auf die Probe gestellt“, sagt Anthony. Auch durch Phil Jackson. Der Teampräsident soll seinen Vorspieler Hand in Hand mit dem Management gleich bei mehreren Klubs angeboten haben. 2014 kehrte die heute 71-jährige Trainerikone aus dem Ruhestand zurück, sollte der traditionsreichen Mannschaft neues Leben einhauchen. Mit bisher durchwachsenem Erfolg: Zwar holte das Management unter Jacksons Ägide den talentierten Porzingis. Der Power Forward stagniert jedoch in seinem zweiten NBA-Jahr. Der Versuch, Jacksons früheren Spieler Derek Fisher zum Trainer aufzubauen, scheiterte vergangene Saison kläglich. Der Kader ist aufgebläht mit Akteuren aus der zweiten und dritten Reihe. Zuletzt verzettelte sich Jackson unnötig in verbale Scharmützel mit Topstar LeBron James von den Cleveland Cavaliers.

„Ich möchte nur, dass er glücklich ist“, sagt LeBron James nun über seinen Freund Anthony. Spätestens am 23. Februar ist klar, ob er das noch bei den Knicks sein wird.

David Digili