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Ein Journalist in Istanbuler Haft: Proteste auf derBerlinale und mit Autokorso, mahnende Merkel-Worte

Reporter müssen draußen bleiben

Gutsherrenart Mehrere Medienberichterstatter werden vom Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırımin Oberhausen ausgeschlossen. taz-Chefredakteurin protestiert gegen „inakzeptable Behinderung journalistischer Arbeit“

„Wir fordern, dassdie Türkei die Pressefreiheit respektiert“

David Schraven von Correctiv

OBERHAUSEN taz | Der Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım am Samstag in Oberhausen war nicht für jeden öffentlich. Trotz Akkreditierung verweigerte der Sicherheitsdienst der Union of European Turkish Democrats (UETD), die der regierenden AKP nahesteht, Vertretern mehrerer Medien den Zutritt in die König Pilsener-Arena.

„Mein Name stand in roter Schrift auf der Liste, als ich mich im Pressezelt anmelden wollte“, sagte taz-Korrespondent Cem Güler. Der Pressesprecher der UETD, Bülent Aydin, habe ihm erklärt, dass die Polizei entscheide, wer in die Halle zugelassen werde und wer nicht. Auf Nachfrage der taz dementierte die Polizei Oberhausen jedoch entschieden: Die Prüfung der Akkreditierung von Journalisten sei nicht Aufgabe der Polizei.

„Es war offensichtlich, dass selektiv einige Journalisten nicht zugelassen wurden“, erklärte Güler. Der Journalist vermutet, dass der UETD seine Berichte missfallen haben. „Es kann nicht sein, dass man als Journalist in Deutschland aufpassen muss, mit welchen Gesprächspartnern man spricht“, so Güler.

Selbstverständlich stehe es Veranstaltern frei, Personen aus Sicherheitsgründen von einer Teilnahme auszuschließen, erklärte Katrin Gottschalk von der taz-Chefredaktion. Die ganz offensichtlich unbegründete Zurückweisung des taz-Reporters habe jedoch den Geruch einer politischen Maßregelung. „Diese Behinderung journalistischer Arbeit ist nicht akzeptabel“, betonte Gottschalk, „Weder in der Türkei noch in Deutschland. Auch Vertreter der AKP müssen damit leben lernen, dass Journalisten ihre Aufgaben, Fakten zu berichten und Meinungen zu hinterfragen, nicht zwangsläufig zum Gefallen des Berichtsgegenstandes erfüllen.“

Auch zwei Journalisten des Recherchezentrums Correctiv, die für das türkische Exilmedium Özgürüz über die Wahlkampfveranstaltung der AKP berichten wollten, standen auf der roten Liste. „Wir wurden ohne jegliche Begründung am Akkreditierungszelt abgewiesen“, berichtete der Özgürüz-Reporter Stefan Laurin. Selbst ein Besucherticket habe er nicht kaufen können. „Die Veranstalter haben mich regelrecht von der Veranstaltung abgeriegelt“, so Laurin.

Sein Kollege Felix Huesmann vermutet, dass das Medium, für das sie schreiben, der Grund für die abgelehnte Akkreditierung war. Seit Januar betreibt das Recherchezentrum Correctiv unter der Leitung des türkischen Journalisten Can Dündar das Exilmedium Özgürüz. „Wir arbeiten für das Medium von Can Dündar, der in der Türkei als Staatsfeind Nummer eins gesehen wird. Ich vermute, dass die UETD uns deshalb von der Veranstaltung ausschließen wollte“, sagte Huesmann.

Die UETD äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. „Wir fordern, dass die türkische Regierung die Pressefreiheit respektiert – nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Türkei“, erklärte der Leiter von Correctiv, David Schraven, der taz. Das Exilmedium Özgürüz versuche aufzuklären, was vor dem Referendum in der Türkei passiert. „Die Veranstalter wollten nicht, dass die Stimmen der Jasager durch kritische Berichte unterbrochen werden“, so Schraven.

In der König Pilsener-Arena versammelten sich nach Angaben der Polizei rund 9.500 Menschen. Ministerpräsident Yıldırım warb bei den aus Deutschland, Holland und Belgien angereisten Exiltürken für das Ja zur Verfassungsänderung beim Referendum am 16. April. Bei einer Zustimmung wird die Macht des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan weiter wachsen. Kritiker befürchten, dass die Konzentration der Befugnisse auf Erdoğan ein autokratisches System in der Türkei schafft. Elisabeth Kimmerle