Eurokrise

Die Europäer haben sich durchgesetzt: Griechenland muss erneut Milliarden im Haushalt kürzen. Steuern steigen, Renten sinken

Dijsselbloem kündigt Politikwechsel an

Eurogruppe Unter massivem Druck der Gläubiger stimmt Griechenland neuen Kürzungen zu. Ist dann Schluss mit der Austerität?

BRÜSSEL taz | In der letzten großen Krise 2015 dauerte es noch Tage, bis die griechische Linksregierung einknickte. Diesmal waren es nur wenige Stunden: Unter massivem Druck der Gläubiger willigte Athen beim Treffen der Eurogruppe am Montagabend in Brüssel in neue Kürzungen ein.

Satte 3,6 Milliarden Euro oder 2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung soll das verarmte Land nun zusätzlich einsparen. Dafür werden wieder Renten gekürzt und Steuern erhöht, auch Geringverdiener sollen bluten. Doch danach soll Schluss sein mit der verhassten Austerität.

Das sagen nicht nur die Griechen, sondern erstmals auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Nach Athener Lesart wird künftig für jeden eingesparten Euro ein Euro Steuererleichterung gewährt. Die Maßnahmen seien „fiskalisch neutral“, so griechische EU-Diplomaten.

Das wollte Dijsselbloem zwar nicht bestätigen. Dafür kündigte er aber einen Politikwechsel an: „Wir bewegen uns weg von der Austerität und legen die Betonung mehr auf tiefgreifende Reformen“, sagte der Niederländer nach der ungewöhnlich schnellen Einigung.

Damit reagiert Dijsselbloem auf Kritik des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der IWF hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass neue Budgetkürzungen die Erholung bremsen und die Schuldenkrise verlängern würden – und einen Schuldenschnitt gefordert.

Doch darauf ging die Eurogruppe nicht ein. Bundesfinanz-minister Wolfgang Schäuble (CDU) und seine Kollegen ließen auch offen, ob sie von Athen weiter hohe Budgetüberschüsse fordern wollen. Zuletzt war von einem Primärüberschuss (vor Schuldendienst) von 3,5 Prozent die Rede – und das über mehrere Jahre.

Derart hohe und anhaltende Überschüsse hat noch kein Land der Welt erreicht. Außerdem kann die Austerität nur dann enden, wenn die Budgetziele nicht unrealistisch hoch sind. Die von Dijsselbloem angekündigte Wende ist daher nicht viel mehr als eine Absichtserklärung, um den IWF zu besänftigen.

Ob sich der Fonds damit zufrieden gibt und doch noch in das laufende, bis zu 86 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm einsteigt, bleibt abzuwarten. Unklar ist auch, ob und wann die Eurogruppe die nächsten Hilfskredite für Athen freigibt. Eigentlich sind sie seit Wochen fällig. Doch weil sich die Prüfung verzögert hat, wollte die Eurogruppe auch diesmal kein Geld freigeben.

Dijsselbloem hat es nicht eilig. „Es gibt derzeit kein Finanzierungsproblem“, sagte er. Dabei wird im März in den Niederlanden gewählt – danach könnte es schwierig werden, ein Ja aus Den Haag zu neuen Krediten zu bekommen. Und spätestens im Juli braucht Griechenland frisches Geld, um alte Schulden abzulösen.

Wenn die Gläubiger nicht spätestens nach den Wahlen in Frankreich im Juni grünes Licht geben, könnte es wieder eng werden für Athen. Dann droht eine ähnliche Eskalation wie zuletzt 2015, als das Geld in den Staatskassen knapp wurde und die Bürger die Banken stürmten, um schnell noch die letzten Euro abzuheben.

Doch die Euro-Finanzminister schließen eine Wiederholung dieser Krise aus. Und wenn sie sich irren? Dann wird Griechenland zum Thema im Bundestagswahlkampf. Eric Bonse