Wohltuend, aber oft nicht beweisbar

Die Stiftung Warentest hat alternative Heilmethoden überprüft. Fazit: Nur bei jeder dritten Therapie lasse sich die Wirkung wissenschaftlich belegen. Doch auf Kritik stößt nicht nur das Testergebnis – auch die Schlussfolgerungen sind umstritten

VON SARAH MERSCH

Zwei Drittel der so genannten alternativen Heilmethoden halten wissenschaftlichen Kriterien nicht stand. Zu diesem Ergebnis kommt die Stiftung Warentest nach der Auswertung wissenschaftlicher Studien zu alternativen Heilverfahren. Und prompt wehren sich die Homöopathen: „Die Stiftung Warentest verunsichert Verbraucher und diffamiert homöopathische Ärzte“, klagt der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte.

In ihrer Analyse „Die Andere Medizin. ‚Alternative‘ Heilmethoden für Sie bewertet“ überprüften die Warentester insgesamt 334 Behandlungsmethoden verschiedener Krankheiten. Fazit: Rund ein Drittel der Methoden der Komplementärmedizin sei wirksam. Aber bei zwei Drittel der Verfahren vermissten die Tester den Nachweis der Wirksamkeit, bemängelten Risiken oder diagnostizierten gar eine erwiesene Untauglichkeit.

„Grundlage der Bewertung sind evidenzbasierte, wissenschaftlich fundierte Studien, die die Wirksamkeit eines Verfahrens belegen müssen“, erläuterte gestern Hubertus Primus von der Stiftung. Untersucht wurden die therapeutische Wirkung und mögliche Risiken der Verfahren. Geistheilung und Farbtherapie wurden dabei ebenso berücksichtigt wie Akupunktur und Kneipptherapie. Das Fazit: die Wirksamkeit von Homöopathie lässt sich oft nur schwer belegen. Akupunktur und Aromatherapie wurden aber beispielsweise überwiegend positiv bewertet.

Die Stiftung warnte gleichzeitig vor pauschalen Urteilen über alternative Heilungswege. Beispiel Aromatherapie: „Das Verhalten von Demenz-Patienten wird positiv beeinflusst. Lavendelöl im Badewasser bessert die Stimmung“, berichtete Vera Herbst, die Autorin des Buches. Für das Einreiben der Schläfen mit Pfefferminzöl, eine gängige Behandlung bei Kopfschmerzen, fehle jedoch der Wirksamkeitsnachweis.

Herbst wehrt sich gegen den Vorwurf, man wolle die homöopathische Medizin verteufeln. Nur sei ihre Wirkung oft nicht nachweisbar oder nicht von Placebo-Effekten zu unterscheiden. „Das heißt ja nicht, dass es Patienten nach einer homöopathischen Behandlung nicht besser gehen kann. Gerade im Umgang mit Patienten kann die etablierte Medizin von den Homöopathen viel lernen.“

Das Label „alternativ“ dürfe kein Freibrief sein, fordert Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD. „Der Patient verlässt sich auf die Wirksamkeit von Medikamenten und wiegt sich so in falscher Sicherheit.“ Meist sei bei alternativen Methoden nicht das Medikament die eigentliche Gefahr. Riskant sei vielmehr, dass sich der Patient auf dessen Wirkung verlasse.

Doch was bedeutet die Studie für die Gesundheitspolitik? Die Stiftung Warentest plädierte angesichts der Testergebnisse dafür, dass die Krankenkassen „nur sinnvolle, nachgewiesene Verfahren zahlen und sich auf die Schulmedizin konzentrieren“.

Diese Differenzierung der Heilmethoden hält SPD-Politiker Lauterbach indes nicht für sinnvoll: „Woher eine Heilmethode kommt, darf keine Rolle spielen.“ Die Überversorgung im Bereich der Schulmedizin sei wesentlich höher als bei alternativen Methoden. „Jede dritte Röntgenaufnahme ist überflüssig, genauso wie 50 Prozent der Herzkatheteruntersuchungen.“ Nur seien diese in ihren Wirkungen oft viel gefährlicher als alternative Methoden, so Lauterbach. Daher sei es sinnvoll, eine Positivliste von Medikamenten aufzustellen, statt nur bei alternativen Methoden zu kürzen. „Die evidenzbasierte Medizin würde, wenn man sie konsequent durchführt, die Kosten im Gesundheitssystem deutlich reduzieren.“–

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