Da gibt es nichts schönzulächeln

betr.: „Offensive für Deutschland“, taz zwei vom 26. 9. 05

Anscheinend sind wir in Deutschland schon so tief gesunken, dass Kritik üben, Fehler aufdecken und Mängel anprangern inzwischen als Nörgeln und Schlechtreden abqualifiziert werden. Anscheinend brauchen wir eine solche Propaganda, in der den Menschen via Fernsehen vorgegaukelt werden soll, was nicht ist.

Was ändert sich nach diesem Spot für den 50-jährigen Arbeitslosen, der nach mehr als 30 Erwerbsjahren jetzt von Hartz IV leben muss, der gern wieder arbeiten würde, der gern sein Bestes geben würde, dem aber niemand mehr eine Chance gibt? Was ändert sich für all die Menschen, die in Deutschland Angst um ihre Arbeitsplätze haben, die jeden Tag ihr Bestes geben, die sich selbst krank zur Arbeit schleppen und denen dann nur noch die Wahl gelassen wird zwischen Arbeitslosigkeit und erheblichen Gehaltseinbußen. Diese Menschen geben ihr Bestes oder wollen ihr Bestes geben, doch gerade diejenigen, die diese Kampagne finanzieren, verhindern das. Sie sehen Menschen nur noch als Humankapital, als Kostenfaktor oder als ökonomischen Kollateralschaden. Sie werfen Menschen weg, reden von brutalem Kostendruck und meinen doch nur den Druck der Kapitalgeber, noch mehr Rendite zu bringen, noch mehr die Kosten zu senken und den Gewinn ins Riesenhafte zu steigern zum Wohle von einigen wenigen Investoren. Sie haben es geschafft bzw. sind dabei, ihre Unternehmensrisiken zu sozialisieren und damit – auch – ihren Arbeitnehmern aufzubürden. Und da erzählen mir überbezahlte Sport-, Fernseh- und Kulturprominente, dass ich Deutschland bin. THOMAS EIKEL, Borchen

Es ist doch schön, wenn es nicht immer nur Kampagnen gibt, die uns sagen, wie scheiße doch alles in Deutschland ist, sondern wenn auch mal Optimismus geweckt werden soll. Man darf daran zweifeln, ob das bei der Mehrheit der Deutschen wirken kann. Aber wenn nur ein paar hundert Menschen durch „Du bist Deutschland“ bewegt werden, dann ist doch schon ein Schritt gemacht. Ich verstehe nicht, warum ihr das nicht mal würdigt. RENÉ GÖGGE, Bergen auf Rügen

Wenn ich an der Kasse von Lidl stehe, wer steht dann vor mir in der Schlange? Frankreich? USA? Russland? Und wer liegt nachts neben mir im Bett? Indien? Italien?

Au weia, das stinkt nach Größenwahn und Identitätsstörung.

Und welches Land tritt mir entgegen, wenn ich die Arbeitsagentur aufsuche? Ist die Fallmanagerin vielleicht Großbritannien oder Kuba? Verdammt, durch den Stress mit der Arbeitsagentur geht es einem doch mies. Und das soll auch jede/r gefälligst zu sehen kriegen, da gibt es nichts schönzulächeln. Und ich verschone keineswegs die Besserverdienenden von meinem Anblick – ganz im Gegenteil! Ich werde mich gewiss nicht noch selbst bescheißen und mir einreden, ich sei Deutschland!

Schaltet den Fernseher ab, Leute! Und ignoriert die Plakate am Straßenrand. B. RINGLAGE, Essen