Der Bedürftige

Wie machen Sie das?

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Mario M., 37, verkauft seit zehn Jahren in den Berliner U- und S-Bahnen das Straßenmagazin „Motz“. Die Einnahmen darf er größtenteils behalten. So unterstützt „Motz“ seine bedürftigen, oft obdachlosen Mitarbeiter.

taz.am wochenende: Sie müssen in überfüllten Bahnen auf sich aufmerksam machen, um die Motz zu verkaufen. Wie machen Sie das?

Mario M.: Ich stelle mich mitten in den Wagen, begrüße die Leute so laut, dass mich alle hören, erzähle von der Zeitung und bedanke mich für den Augenblick, den sie mir geschenkt haben.

Ein einfaches „Danke“ reicht nicht?

Nein, es ist sogar sehr wichtig, dass ich es so sage, weil die Leute immer erst ablehnend sind. Wenn ich später ein Lächeln bekomme, weiß ich, dass ich etwas bewirkt habe.

Wie kreativ müssen Sie sein?

Einer verlangte mal, dass ich mir jede Woche einen neuen Spruch ausdenke. Der sagte: „Heute kriegst du kein Geld von mir, den Spruch kenne ich schon.“

Welche Sprüche haben Sie denn drauf?

Die sind ziemlich simpel. „Nicht weglaufen, Motz kaufen“ oder „Schönen guten Tag, die Motz-Kontrolle, hilft bei Obdachlosigkeit und akuter Langeweile.“

Denken Sie sich die vorher aus?

Ich übe schon und frage meine Freunde, wie das ankommt. Dann wird auch noch einmal daran gearbeitet. Andere fahren zuerst mit Kollegen mit, um zu sehen, was funktioniert.

Und wenn es mal nicht so läuft?

Das kann schon nervig sein. Dann ist es das Beste, einfach auszusteigen und Pause zu machen. Es gibt so Zeiten: Mittags um 12 Uhr, da haben alle einen vollen Bauch und möchten nicht gestört werden.

Welche Rolle spielt es denn, wie Sie aussehen?

Die Leute achten sehr darauf. Es ist gut, wenn da jemand steht, der nicht schmutzig ist oder wie ein Junkie aussieht. Trotzdem wollen sie sehen, dass ich bedürftig bin. Ich darf auch nicht zu gut aussehen.

Interview Andreas Neukam