Karl Marx im Sinn

ERÖFFNUNG Mit K’ – Zentrum Aktuelle Kunst hat Bremen jetzt einen Ort für Positionen „auf der Schnittstelle zwischen bildender Kunst, Gesellschaftskritik und Popkultur“

„Es geht um das Anregen von Erkenntnisprozessen“

Radek Krolczyk

VON Andreas Schnell

Eine Galerieeröffnung ohne Kunst? Schon ungewöhnlich. Aber so geschehen am vergangenen Freitag im K’ – Zentrum Aktuelle Kunst, wie Bremens jüngste Galerie heißt. Wobei Kunst ja nicht nur Bilder sind, die an der Wand hängen oder Skulpturen, die im Raum stehen.

Am Freitag letzter Woche lud das K’, gesprochen: „K Strich“, zur Eröffnung ein, auf dem Programm dreimal Musik von minimalistischer Cello-Kunst über flächigen Ambient bis zu bluesinspirierten Gitarren-Drones. Musik kann ja auch Kunst sein. Und es ist auch kein Geheimnis, dass die beiden Welten sich mehr als nur an ein paar Stellen berühren.

So arbeiten Künstler wie Michaela Melián oder Wolfgang Müller, zu denen später mehr, an den Schnittstellen zwischen Pop im weiteren Sinne und Bildender Kunst – sowie weit darüber hinaus. Trotzdem: Eine Galerieeröffnung ohne Kunst gibt es zumindest in Bremen nicht alle Tage. Davon abgesehen, dass hier bekanntlich ohnehin selten genug neue Galerien eröffnet werden. Wir sind hier ja nicht in New York. Für das seltene Ereignis sorgten Radek Krolczyk und Eric Peters, seit dem Spätsommer frischgebackene Galeristen.

Dass sie mit ihrem Programm eine Lücke in der Bremer Galerienszene füllen, wäre etwas geprahlt – zugunsten der Szene. Denn in Bremen ist noch viel Platz für Kunst. Ist nur die Frage, ob es auch genug Markt dafür gibt. Und ohne Verkäufe sei es schwierig, eine Galerie wie K’ zu betreiben.

Für die nächsten Monate haben sich die frischgebackenen Galeristen Radek Krolczyk und Eric Peters ein illustres Programm vorgenommen, das muss nun erst einmal gestemmt werden. Mit den bereits erwähnten Wolfgang Müller und Michaela Melián sowie Miron Zownir und dem Duo Alice Creischer / Andreas Siekmann stehen durchaus renommierte Künstler auf der Agenda, den Auftakt macht indes eine noch nicht ganz so bekannte Position: Lena Schmidt, in Hamburg lebende gebürtige Bremerin, zeigt in „Power Lines“ Arbeiten, die düster zwischen Objekt und Malerei, zwischen strenger Form und diffusem Chaos schillern. „Mich reizen diese Kippmomente“, erklärt Schmidt, die ihre Arbeiten bereits in Miami und Portland, Oregon gezeigt hat, wo sie per ein Aufenthaltsstipendium weilte.

Wie passt das zu einer „linken Galerie“, als die das K’ – mit neckischer Marx-Anspielung im Namen – unlängst noch annonciert wurde? Der Begriff erscheint Krolczyk und Peters unterdessen selbst ein wenig problematisch. Krolczyk erklärt: „Wir kommen aus linken Zusammenhängen, und es ist klar, dass wir ein linkes Programm haben, aber die Kunst, die wir zeigen, erschöpft sich nicht darin. Alice Creischer und Andreas Sieckmann arbeiten zum Beipsiel ganz offensiv zu Kolonialismus und Flüchtlingspolitik. Wolfgang Müller dokumentiert die Stimmen ausgestorbener Vogelarten, das ist auf seine Weise auch politisch. Es geht um das Anregen von Erkenntnisprozessen.“ Das muss bei der künstlerischen Arbeit gar nicht unbedingt eine Rolle spielen.

Lena Schmidts Arbeiten haben auch ohne einen expliziten politischen Bezug ihren gesellschaftlichen Hallraum. Es geht um verlorene Orte, verlassene Fabriken oder Gewerbeflächen wie die Brandstorhalle in Hamburg, die einem länglichen Objekt den Namen gab, auf dem nächtlich-neblig verrauschte Gebäude zu sehen sind, allerdings aus der Erinnerung montiert, mit schwarzem Edding auf, und wie alle Arbeiten in „Power Lines“, auf Pressspanplatten und anderem ausgedientem Holz, das die Künstlerin an den Orten findet, von denen sie in ihren Bildern erzählt, die aus dem Hässlichen, Dysfunktionalen eine morbide Ästhetik ziehen. Was dann auch einen Bezug zu einer spezifischen Pop-Ästhetik ergibt: Die Verwendung von Industrieschrott ist schließlich eine Technik der Industrial-Musik. Anknüpfungen zur Popkultur sind dezidiert Teil der Programmatik der neuen Galerie.

■ Lena Schmidt: „Power Lines“, Vernissage: Freitag, 19 Uhr, K’ – Zentrum aktuelle Kunst, Alexanderstr. 9b, www.k-strich.de