Berliner Szenen
: Kartentauschtotalverbot

Der ultimative Clay

Bei mir waren es kleine Indianer­figuren aus Plastik

„Jetzt steck endlich diese verdammten Karten weg oder ich schmeiß sie in den Müll“, faucht eine Mutter gerade ihr Kind an, als ich Fup vom Hort abhole. Überrascht vom harten Ton, bin ich sofort voller Verständnis … für die Mutter. Ich kann es gut verstehen, dass man die Nerven verliert. Und dabei dachte ich, die Kartenseuche sei endlich vorbei, als Fup seine mühsam erworbene Fußballkartensammlung aus der Folie herauszog und verschenkte und ich mich schwachsinnigerweise sagen hörte: „Weißt du eigentlich, wie viel die gekostet haben? Die kannst du doch nicht einfach verschenken!“ Immerhin lernte er damit zählen.

Dann kamen die Star-Wars-Karten. Ich lernte alles über „Limititten“, „Glitzis“ und darüber, wie viel Punkte Dark Sidious in der Abwehr und im Angriff hat. Ein Wissen, von dem ich nicht gedacht hätte, dass ich einmal darüber verfügen würde. Inzwischen ist es schon wieder überholt. Jetzt ist Ninjago und Nexo Knights dran. Und ich bin endgültig draußen. Im Hort ist ein vierwöchiges Kartentauschtotalverbot erlassen worden, weil sich einige Kinder nicht daran gehalten haben, nur am Mittwoch, dem offiziellen Kartenbörsentag, zu handeln.

Vor dem Hort wird Sid von vier großen Jungs umringt. Kevin sagt, für zwei Euro könne er den „Ultimativen Clay“ haben. Zwei Euro?, denke ich, niemals! Fup gibt Kevin die zwei Euro und kriegt den „Ultimativen Clay“, der in der Mitte geknickt ist und schon starke Gebrauchsspuren aufweist. Ich seufze. Bei mir waren es wenigstens kleine Indianerfiguren aus Plastik, die ich mir vom Haushaltsgeld meiner Mutter kaufte, bis sie mich dabei ertappte. Aber die Sehnsucht, unbedingt diese Figur haben zu wollen, war so groß wie nie wieder in meinem späteren Leben. Nun sehe ich einen glücklichen Fup. Er strahlt mich an, und ich streichle ihm über die Haare. Klaus Bittermann