Campuskrimi So reproduzieren sich Eliten: Takis Würger hat einen Coming-of-Age-Roman geschrieben, der an der Eliteuniversität Cambridge spielt. Er erzählt gespenstisch genau
: Es war absolute Premiumkotze

Die britische Upperclass folgt ihren eigenen sozialen Regeln. Die Aufnahme entstand in Cambridge Foto: Martin Parr/Magnum Photos/Agentur Focus

von Shirin Sojitrawalla

Dieser Roman protzt schon bei Erscheinen mit prominenten Fürsprechern: Thomas Glavinic, Benjamin von Stuckrad-Barre, Elke Heidenreich und Benedict Wells zitiert die Banderole des Buches mit lobenden Erwähnungen. Ähnliches hört man derzeit in Buchhandlungen, wo sich anscheinend alle auf den schmalen Erstling von Takis Würger einigen können, erschienen in schmucker Leinenaufmachung im Schweizer Verlag Kein & Aber. Kurz nach seinem Erscheinen erhielt das Buch den „Debütpreis der lit.Cologne“, inzwischen ist es in die Spiegel-Bestsellerliste eingestiegen.

Es scheint wie geschaffen für den Buchhandel: leicht lesbar, sehr spannend, abwechslungsreich erzählt, und das auf locker bedruckten 137 Seiten. Was will man mehr? Takis Würger, der sich bislang mit seinen Reportagen von den Krisenherden dieser Welt hervorgetan hat, hörte im Alter von 28 Jahren damit auf und ging nach England, um in Cambridge Ideengeschichte zu studieren.

Jetzt, einige Jahre später, liegt sein erster Roman vor, der sich hauptsächlich ebendort tummelt: an der Eliteuniversität Cambridge und in den artverwandten Clubs drum herum sowie den Kreisen der britischen Upperclass. Dorthinein verschlägt es auch den Deutschen Hans Stichler, der mit dem Autor die niedersächsische Heimat und die Boxleidenschaft teilt. Hans’ verrückte Tante, die dort als Professorin lehrt, erteilt ihm einen Auftrag, den er nicht ablehnen kann. Er soll in einem der Clubs ein Verbrechen aufklären.

Die Sprache

Allein dem Schnösel Josh, einem der Anführer im Roman, billigt Takis Würger eine eigene Sprache zu: Dieser Typ ist auf eine stylische Art und Weise kaputt, was sich in seinem Jargon niederschlägt

Takis Würger erzählt das aus unterschiedlichen Perspektiven, lässt alle zu Wort kommen, jeweils in Ichform. Die einzelnen Kapitel sind mit dem jeweiligen Vornamen gekennzeichnet. Darin erschöpft sich in den meisten Fällen auch schon die Differenzierung. Allein dem Schnösel Josh, einem der Anführer im Roman, billigt Würger eine eigene Sprache zu. Dieser Typ ist auf eine stylische Art und Weise kaputt, was sich in seinem Jargon niederschlägt: „Natürlich hat es Vorteile und Nachteile, weit draußen zu wohnen. Der größte Nachteil: der verfickte Weg. Ich fiel ein paar Mal um. Ich übergab mich in einen Vorgarten in einen Strauch. Es war absolute Premiumkotze, ich hatte kaum etwas gegessen, weil ich mein Gewicht halten musste, also glitt der Strahl sanft aus meinem Kehlchen.“

Hinreißend märchenhaft

Alle anderen Erzähler blicken ziemlich unterschiedslos auf die Welt. Wie es überhaupt die sprachliche Unauffälligkeit des Romans ist, die zu denken gibt. Es gibt hier keine Sätze, die man zweimal lesen möchte oder müsste. Und es finden sich so einige Einwegsätze in dem Buch: „Ich spürte, dass in meinem Inneren etwas zerbrach.“ Dabei lässt Würger seinen Roman hinreißend märchenhaft beginnen: „Im südlichen Niedersachsen liegt ein Wald, der Deister, darin stand ein Haus aus Sandstein, in dem früher der Förster gewohnt hatte und das durch eine Reihe von Zufällen und den Kredit einer Bank in den Besitz eines Ehepaares kam, das dort einzog, damit die Frau in Ruhe sterben konnte.“ Ein Anfang, dem man sich nicht entziehen möchte und einer, der nicht ahnen lässt, was ihm Laufe des ­Romans noch auf einen zukommt.

„Der Club“ erzählt eine Geschichte vom Erwachsenwerden; „Coming of Age“ trifft es in diesem Falle besser, spielt sich der Hauptteil der Handlung doch in England ab. Der Form nach ist es eine Mischung aus Campus- und Kriminalroman, wobei die Figuren, die Würger zeichnet, unter ihrer Eindeutigkeit verblassen. Sein Pro­tagonist Hans bekommt dabei Zugang zu den höchsten Kreisen, durchläuft typische Phasen eines Aufstiegs und kommt peu à peu den Machenschaften im observierten Boxclub auf die Spur. An dieser Stelle kein weiteres Wort zum Plot, sonst ist es mit der Spannung vorbei.

Dabei treiben nicht nur die Ermittlungen die Aufregung voran, sondern auch die detaillierten Milieuschilderungen. Rache, Zugehörigkeit und Außenseitertum – die Themen des Romans verhandelt Würger geschickt. So wird die grausame Arroganz, die junge Männer in elitäre Clubs lockt, als Mechanismus kenntlich gemacht, der andere in den Terror führt.

Wie sich Eliten bilden und fortpflanzen, davon erzählt Takis Würger in seinem tänzelnd konstruierten Roman gespenstisch genau. Er scheint sich da auszukennen. Wie Hans ist auch er Mitglied in manch einem Club und boxte für den Cambridge University Amateur Boxing Club, wie der Klappentext verrät. Verbrechen habe er in den Clubs keine begangen, heißt es dort lapidar. Nach der Lektüre dieses Romans beruhigt einen das kein bisschen.

Takis Würger: „Der Club“. Verlag Kein & Aber, Zürich 2017, 237 Seiten, 22 Euro