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So rechnet sich das Rad

Dienstfahrzeug Tausende Firmen bieten ihren Beschäftigten Fahrräder zum Leasing an. Die Mitarbeiter profitieren davon finanziell ebenso wie die Arbeitgeber

Statussymbole müssen nicht unbedingt motorisiert sein Foto: Jim Erickson/plainpicture

Von Hannes Koch

Der dicke Dienstwagen ist für viele höhergestellte Beschäftigte ein Statussymbol. Und als Teil der Vergütung kann das Firmengefährt Geld sparen, indem es das Privatauto ersetzt. Doch nun bekommt dieses Modell Konkurrenz. Tausende Firmen in Deutschland bieten ihren Mitarbeitern mittlerweile Fahrräder an – für den Weg zur Arbeit ebenso wie für die private Nutzung.

Möglich ist diese Variante seit 2012. Damals übertrug der Gesetzgeber die steuerliche Regelung für Dienstautos auch auf Fahrräder. Idealtypisch funktioniert es so: Der Arbeitgeber schließt einen Vertrag mit einer Jobradfirma ab. Dieser verschafft ihm Zugang zu standardisierten Leasingvereinbarungen und einem Netzwerk von kooperierenden Radhändlern. Bei diesen suchen sich die Arbeitnehmer ein Gefährt aus. Das kann ein normales Stadtrad, ein teures Rennrad, ein Downhill-Mountainbike oder auch ein sogenanntes Pedelec mit Elektromotor sein. Anstatt das Fahrzeug zu kaufen, wird es zunächst für in der Regel drei Jahre geleast. Die Mietgebühr übernimmt der Arbeitgeber, zieht sie allerdings ganz oder teilweise vom Lohn des Beschäftigten ab.

Auf den ersten Blick sieht dieses Geschäftsmodell unnötig umständlich aus. Warum sollen Unternehmen, Dienstleister, Radfirmen und Beschäftigte komplizierte Verträge miteinander aushandeln, wenn man auch einfach in den Laden gehen und ein Rad kaufen kann? Jahrzehntelang funktionierte diese schlichte Variante doch sehr gut.

Arbeitnehmer erkundigen sich zunächst bei ihrem Unternehmen, dem Betriebsrat oder der Personalvertretung. In manchen Firmen, Institutionen und Verwaltungen haben die gewählten Vertretungsgremien bereits Betriebsvereinbarungen abgeschlossen. Existiert keine Dienstradvereinbarung, die das Verfahren vorgibt, können die Beschäftigten sie in Kooperation mit der Firmenleitung auf den Weg bringen. Firmen, die ihre Beschäftigten mit Fahrrädern ausrüsten wollen, und Arbeitnehmervertreter können sich unter anderem an diese Dienstleister wenden:

Eurorad, Köln: www.eurorad.de, (02 11) 17 95 96 70

Jobrad, Freiburg: www.jobrad.org, (07 61) 20 55 15-0

BusinessBike, Neustadt a. d. Aisch, www.businessbike.de, (09161) 7820 000

eBike Company, Hamburg: www.ebikecompany.de, (040) 2 09 33 22 10

Lease a Bike, Cloppenburg: www.lease-a-bike.de, (0 44 71) 96 60

Mein Dienstrad, Oldenburg: www.mein-dienstrad.de, (04 41) 55 97 79 77

Aber das neue Modell erfreut sich aus mehreren Gründen zunehmender Attraktivität. So erkennen die Firmen, dass ihre Mitarbeiter gesünder und leistungsfähiger sind, wenn sie morgens und nachmittags ein paar Kilometer radeln. Auch viele Arbeitnehmer denken mehr an ihre körperliche Fitness. Hinzu kommt die Marktentwicklung bei den Rädern. Fuhren früher die Leute kostengünstige Drahtesel, so kosten moderne Pedalrenner heute den Preis eines Kleinwagens. Mountainbikern mit 5.000-Euro-Geschossen im Wald zu begegnen ist keine Seltenheit mehr. Und auch für Elektrofahrräder, die bei Nutzern mittlerer und älterer Jahrgänge beliebt sind, muss man oft einige Tausend Euro hinlegen. Insofern freuen sich Arbeitnehmer über das neue Finanzierungsmodell fürs Rad.

Wie sich die Rechnung für einen typischen Beschäftigten darstellt, hat der in Berlin ansässige Verbraucherinforma­tionsdienst Finanztip anhand eines Beispiels ermittelt. Für ein Elektrorad, das inklusive der Versicherungsgebühren für drei Jahre knapp 3.000 Euro kostet, zahlt der Arbeitnehmer unter dem Strich nur 1.991 Euro. Diese günstige Bilanz kommt unter anderem deshalb zustande, weil die Leasingraten von gut 70 Euro monatlich in Form der Barlohnumwandlung vom Gehalt abgezogen werden. Dadurch sinken die Steuern und Sozialabgaben. Die Gegenrechnung des geldwerten Vorteils der Fahrradnutzung, den das Finanzamt in Rechnung stellt, schmälert den positiven Effekt, neutralisiert ihn aber nicht.

„Profitieren können Mitarbeiter sogar dann vom Leasing, wenn die Firma gar nichts dazubezahlt“, sagt Udo Reuß, Experte für Steuern bei Finanztip. Die Beispielrechnung führte er im Juli 2015 für einen alleinstehenden Beschäftigten mit 3.500 Euro Bruttogehalt in Baden-Württemberg durch. Obwohl sich einzelne Komponenten seitdem geändert haben, gelte die Rechnung grundsätzlich weiterhin, so Reuß. „Im Vergleich zum konventionellen Erwerb sparen die Nutzer bis zu 40 Prozent“, sagt Rita Leusch, Sprecherin des Dienstleisters Jobrad in Freiburg. Dafür allerdings ist langfristig ein Preis zu entrichten: Infolge der Lohnumwandlung und geringeren Sozialbeiträge fällt möglicherweise auch die Altersrente ein bisschen niedriger aus.

Auch die Arbeitgeber haben geringere Kosten, weil sie ebenfalls So­zial­beiträge sparen können. Die Abnahme von Krankheitstagen der Beschäftigten schlägt positiv zu Buche, und die Aufwendungen für die Anschaffung der Dienstfahrzeuge sowie die Errichtung von Stellplätzen sind niedriger als bei der Autovariante.

Profitieren können Mitarbeiter sogar dann vom Leasing, wenn die Firma gar nichts dazubezahlt

Weil sie diese Vorteile zu schätzen wissen, bezuschussen manche Arbeitgeber die Leasingraten, die ihre Angestellten zahlen. Der Evangelische Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein etwa lässt sich das aufgrund einer Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung 9,5 Prozent der monatlichen Raten kosten. Der Papierhersteller Felix Schoeller Group in Osnabrück bezuschusst die Leasingraten seiner Mitarbeiter mit 10 Euro monatlich.

In diesem Unternehmen haben die 2.000 einheimischen Beschäftigten bereits 843 Jobräder erworben. Wie viele Arbeitnehmer in Deutschland insgesamt von dem Modell profitieren, lässt sich nicht seriös schätzen. Jobrad, nach eigenen Angaben Marktführer, kooperiert mit 3.500 Arbeitgebern, bei denen rund 1 Million Mitarbeiter Diensträder nutzen könnten. Wie viele das tatsächlich tun, gibt Jobrad nicht bekannt.