Wieder mal in höchster Not

Bundesliga In einem schwachen Spiel ertrotzte Mainz 05 ein Unentschieden beim ideenlosen HSV

Keine Appelle an Rautenpa­triotismus auf den Titelseiten, keine Fanmärsche zum Training – beim HSV scheint man sich so an Abstiegskampf gewöhnt zu haben, dass im Vorfeld des Spiels gegen den Tabellennachbarn Mainz 05 selbst die üblichen Beschwörungsrituale ausblieben –einzig das inzwischen fast obligatorische Kurztrainingslager im Saisonendspurt durfte nicht fehlen – diesmal in Rotenburg an der Wümme. Dabei stand es nach den beiden Niederlagen gegen Darmstadt und in Augsburg dieses Mal wirklich „Spitz auf Knopf“, wie Klub-Boss Heribert Bruchhagen gesagt hatte.

Statt Schulterschluss zeigten sich ausgerechnet vor dieser letzten Chance des HSV, aus eigener Kraft die Relegationsspiele gegen den Zweitligadritten zu vermeiden, diverse Bruchstellen. Nach den Pyrovorfällen im Heimspiel gegen Darmstadt 98 hatte die Klubführung bis auf Weiteres Choreos und Banner untersagt. Trainer Gisdol schickte drei Spieler in die zweite Mannschaft, darunter den ehemaligen Kapitän und Abwehrchef Johan Djourou. Und schließlich widersprach Bruchhagen öffentlich der These von Sportchef Jens Todt, die letzten Niederlagen seien die Folge einer Kopfmüdigkeit. Damit darf man nicht drei Spieltage vor Schluss kommen. Ein Profi muss jetzt ein Profi sein“, sagte Bruchhagen.

Um die Mannschaft zusätzlich wachzurütteln, überraschte Trainer Gisdol mit dem 18-jährigen Startelfdebütanten Vasilije Janjicic im defensiven Mittelfeld, für den der brasilianische Winterzugang Walace auf der Bank bleiben musste. Die Ausgangslage war klar: Der Verlierer dieses Spiels wäre erster Anwärter auf den drittletzten Tabellenplatz und müsste sogar befürchten, noch direkt abzusteigen. Mannschaft und Anhänger des HSV zeigten von Beginn an, dass sie sich rechtzeitig auf die Situation eingestellt hatten. Die Ultras schafften es irgendwie, ein Banner mit der Aufschrift „Seite an Seite gegen Repression“ ins Stadion zu schaffen, ergänzten diese Botschaft aber mit einem „Alles für den HSV“ und puschten das Stadion von Beginn an.

Die Mannschaft machte das, was man im Abstiegskampf tun muss: kämpfen, Positionen halten und gradlinig spielen. Trotz Übergewicht des HSV hatten die Mainzer in der ersten Halbzeit die besseren Chancen, scheiterten aber mehrfach aussichtsreich am rechtzeitig wiedergenesenen Christian Mathenia im HSV-Tor. Je länger das Spiel dauerte, umso mehr zeigte sich die hässliche Seite des Abstiegskampfs: viel Krampf, viel Zufall, wenig Durchdachtes, kaum Torchancen. Beiden Mannschaften saß die Angst in den Beinen, den entscheidenden Gegenschlag zu kassieren, der die Entscheidung gebracht hätte. In der letzten Viertelstunde machte es sich ein Schwarm Tauben in der Nähe des Mainzer Strafraums gemütlich, sie wurden kaum gestört.

Das Unentschieden nützt eher den Mainzern, die das bessere Torverhältnis und das etwas leichtere Restprogramm haben. Der HSV muss noch nach Schalke und empfängt dann den VfL Wolfsburg. Auch wenn die Nordkurve mit Blick auf nächsten Samstag trotzig „Auswärtssieg“ skandierte, muss Heribert Bruchhagen an einer Steigerung von „Spitz auf Knopf“ arbeiten. Ralf Lorenzen