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Südkoreas künftiger Präsident: Moon Jae In in Siegerpose Foto: ap

Süd-Präsident aus Nordkorea

An diesem Mittwoch wird nicht nur ein langjähriger linksliberaler Oppositionspolitiker Südkoreas Präsidentenamt übernehmen, sondern auch der Sohn eines nordkoreanischen Flüchtlings. Während des Koreakriegs floh Moon Jae Ins Vater gen Süden. Zynischerweise verhinderte dieser Familienhintergrund bereits 2012 Moon Jae Ins Wahlsieg: Er unterlag der späteren Präsidentin Park Geun Hye, weil er von der Konservativen als „Nordkorea-Sympathisant“ gebrandmarkt wurde.

Jetzt betonte der 64-Jährige daher bei jeder Gelegenheit seinen „patriotischen“ Wehrdienst in einem Spezialkommando. 1976 nahm er an einem der riskantesten Einsätze in der hochverminten Demarkationszone teil. Nordkoreanische Militärs erschlugen damals zwei US-Soldaten mit einer Axt, nachdem diese einen Baum kahl schlagen wollten, der die Sicht eines Wachpostens behinderte. Daraufhin schickte Südkorea Soldaten, um den Baum zu fällen – darunter auch Moon. „Wäre der Norden eingeschritten, hätte das leicht einen Krieg auslösen können“, erinnert er sich 40 Jahre später im Magazin Time.

Schon damals vertrat der spätere Studentenaktivist und Menschenrechtsanwalt die Ansicht, Nordkoreas Regime solle für seine Taten zur Rechenschaft gezogen werden, nicht aber das einfache Volk. In der aufgeheizten Stimmung damals hätte Moon für solche Aussagen ins Gefängnis kommen können. Später machte er sie als Stabschef der liberalen Regierung von Präsident Roh Mooh Hyun gesellschaftsfähig.

Während der Entspannungspolitik der Jahrtausendwende wurden Gespräche ohne Vorbedingungen geführt und ­Wirtschaftskooperationen angestoßen. Doch Konservative halten dies für die Wurzel allen Übels, weil das nördliche Kim-Regime ohne das Geld aus dem Süden sein Atomprogramm nicht so hätte voranbringen können.

Moons Nordkorea-Vision mag naiv scheinen. Doch liegt ihm die Wiedervereinigung am Herzen: 2004 sah er bei einer seltenen Familienzusammenführung im Norden seine Tante nach 50 Jahren erstmals wieder.

Fabian Kretschmer

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