Wir geben uns zur Begrüßung ein *LOL*

Netzkonferenz Auf der Re:publica in Berlin stellt Bundesinnenminister Thomas de Maizière seine Thesen zur Digitalisierung vor. Diesmal recht seriös. Seine Botschaft: Mehr Freiheit durch mehr staatliche Regulierung. Kritik kommt von Netzaktivisten

Die rund 8.000 Teilnehmer auf der Re:publica versuchen, den Durchblick zu behalten Foto: Stefan Boness/Ipon

Aus Berlin Martin Kaul

Keine zehn billigen Thesen, sondern immerhin eine Abwägung: Auf der Netzkonferenz Re:publica in Berlin hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Mittwoch eine digitale Grundsatzrede zur Zukunft der Netzpolitik in Deutschland gehalten. Dabei hat der Christdemokrat nach eigenen Worten ein Plädoyer für die Freiheit im Internet präsentiert – erreichen will er sie allerdings durch mehr staatliche Regulierung im Netz.

Auf der Re:publica treffen sich seit Montag rund 8.000 Unternehmer und Programmierer, Politiker, Journalisten und Netzaktivisten, um über gesellschaftliche Fragen rund um die Digitalisierung zu reden. Zu Beginn seiner Rede sagte de Maizière, es gelte heute mehr denn je, das Freiheitsversprechen des Internets zu gewährleisten. „Durch die neuen Freiheiten im Netz entstehen jedoch auch neue Freiheitsbeschränkungen“, warnte er. Diese könnten durch ganz unterschiedliche Machtkonzentrationen veranlasst sein – etwa durch ökonomische Marktmacht, gezielte Cyber­angriffe, kollektive Shitstorms, Flucht vor Regulierung oder die Macht von Algorithmen.

„Das freie Spiel der Kräfte“, sagte de Maizière, „funktioniert nicht ohne Regulativ.“ Deshalb müsse die Bundesregierung auf rechtsstaatlicher Grundlage eine kohärente Regulierungspolitik entwerfen, die bestehende Rechte auch im Netz umsetze.

Unter anderem betonte der Innenminister, welche Bedeutung es für demokratische Gesellschaften habe, die Programmierung und Wirkung von Algorithmen künftig kontrollieren zu können: „Algorithmen sind niemals neutral. Ihre Schöpfer und Anwender sind verantwortlich für sie. Die Entscheidungen von Algorithmen müssen nachvollziehbar sein, und demokratische Staaten müssen das gewährleisten können“, sagte de Mai­zière am Mittwochmittag. Das müsse durch die Einrichtung entsprechender Gremien auch garantiert werden.

Der Ansatz hat – zumindest theoretisch – Gewicht. In der Konsequenz bedeutet er, dass auch und gerade die Algorithmen von mächtigen Unternehmen wie Google und Facebook einer demokratischen Kontrolle unterliegen müssten. Das fordern Bürgerrechtler seit Langem – faktisch liegt es allerdings in weiter Ferne.

Ebenfalls sprach sich de Mai­zière für ein Recht auf Anonymität im Netz aus. „Anonymität ist eine der Voraussetzungen für politische und geistige Freiheit“, sagte er. Jedoch habe es „weder online noch offline“ jemals eine absolute Anonymität gegeben. Es sei doch bemerkenswert, dass heute vor allem private Unternehmen den Zugriff auf die privatesten Daten der Menschen hätten. Damit deutete der Minister darauf hin, dass es letztlich immer der Staat sein müsse, der den Zugriff auf die Daten des Bürger gewährleisten muss – etwa um Rechtsverstöße aufzuklären.

Kern seiner Botschaft war – wenig verwunderlich – der Ruf nach stärkeren Ermittlungsbehörden. „Die IT- und Cybersicherheit ist die Basis all dieser Freiheiten“, sagte er zum Schluss. Damit warb de Mai­zière etwa um Akzeptanz für die in der Netzszene umstrittene neue Schnüffelagentur ­Zitis. Diese soll künftig die Bundesregierung beraten, mit welchen Spionagewerkzeugen deutsche Behörden rechtskonform und effektiv Kommunikation abfangen können.

„Das freie Spiel der Kräfte funktioniert nicht ohne Regulativ“

Bundesinnenminister de Maizière

Kritisiert wurde de Maizière, der zuletzt mit zehn umstrittenen Thesen für eine deutsche Leitkultur für Schlagzeilen gesorgt hatte, auf der Re:publica unter anderem von Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs in Berlin. Sie hielt de Mai­zière vor, bei aller Rhetorik für mehr Freiheitsrechte genau diese in seiner Amtszeit aktiv eingeschränkt zu haben – etwa durch den Ausbau der Vorratsdatenspeicherung oder jene Agentur Zitis.

Kurz sagte: „Mit dem Aufkauf von Sicherheitslücken alimentiert die Bundesregierung einen Grau- und Schwarzmarkt. Das führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu mehr Unsicherheit im Netz.“ Hintergrund ist die Frage, inwiefern die Bundesregierung auch selbst Sicherheitslücken auf dem Schwarzmarkt aufkauft, um diese für eigene Spionage zu nutzen.

Auch der Blogger und Mitgründer der Re:publica, Markus Beckedahl, kritisierte de Mai­zière. Er forderte den Minister unter anderem dazu auf, ein Transparenzgesetz auf Bundesebene einzuführen – und dadurch das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz zu ersetzen. „Wir müssen auch seitens des Staats mehr wagen“, sagte Beckedahl. „Statt die Bürger in eine Bittstellung zu bringen, sollte der Staat seine Informationen von sich aus und proaktiv veröffentlichen“, forderte er.