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Den Staub vom Spiegel wischen

Jazz Oriental Der Sänger Rabih Lahoud fühlt sich als musikalischer Kosmopolit und schätzt Chansons. Mit seiner Band Masaa gelingt ihm eine glückliche Verbindung von Jazz und arabischen Motiven

Kongeniales Team: Rabih Lahoud (hinten links) mit Band Foto: Traumton

„Ich habe mein Leben als eine Reihung von Stressmomenten erlebt – als Rennen zu etwas oder jemandem hin“, sagt der Sänger Rabih Lahoud. „Immer habe ich mich danach gesehnt, bei einem Wort oder Gefühl stehen zu bleiben und ihnen die Zeit zu geben, die sie brauchen. Wenn ich Texte schreibe, und das geschieht meist in Minuten, dann bin ich kein Dichter, sondern ein Mensch, der die Pause-Taste drückt, um ein Gefühl zu betrachten.“

Mit seinen drei Mitmusikern Markus Rust an der Trompete, dem Pianisten Clemens Pötzsch und dem Schlagwerker Demian Kappenstein hat der gebürtige Libanese 2012 kongeniale Partner gefunden, die für eine ausgesprochen glückliche Verbindung von Jazz und arabischen Motiven sorgen.

Auf ihrem dritten Werk „Out­spoken“ haben Masaa die bislang größte Stringenz von Wort und Musik erreicht. „Meine Stimme hat mehr Farben bekommen, kann noch viel mehr Emotionen ausdrücken und der Ausdruck ist direkter. Das Album ist wie ein Spiegel, von dem man den Staub weggewischt hat“, findet Lahoud. In vier Sprachen transportiert er jetzt seine Texte – selbst auf Deutsch, das für ihn mit einer „intuitiv-intellektuellen Gedankentiefe“ verbunden ist. Großen Respekt hatte er vor der Sprache, schließlich musste er sie einst richtig mit Büchern büffeln. Herausgekommen ist das gefühlstiefe Stück „An die Hand“, das sich auf dem Album zwischen einem souligen englischen Titel und etlichen arabischen und französischen Miniaturen einreiht.

„Seit ich Kind war, bin ich von Chansons geprägt“, sagt Lahoud. „Diese zwei Persönlichkeiten, das Arabische und das Französische, sind gleichzeitig in mir aufgewachsen, ohne dass sie sich gegenseitig annullieren würden. Im Gegenteil, sie werden sogar immer stärker in ihren Eigenheiten. Das Chansongefühl, das mich als Kind bewegt hat, ist immer noch da, wenn ich es abrufe.“

Dass er in der arabischen Welt groß wurde, hält der mentale Kosmopolit eher für Zufall. Nie habe er sich einem Land oder einer Kultur zugehörig gefühlt. Immer hatte er die Sehnsucht, zu vielen unterschiedlichen Richtungen und Denkarten zu gehören. „Jede Sprache, in der ich Freundschaften aufgebaut habe, wird für mich zu einer Muttersprache, führt mich zu einem emotionalen Ursprung.“

Inzwischen haben Masaa auch im Libanon getourt – eine spannende Erfahrung, denn die jungen Zuhörer an den Unis nahmen ihre Musik zunächst als europäisch war – als fremdes Puzzlestück, zu eckig, zu kantig, um arabisch zu sein. „Doch als die Texte dann im Raum gewirkt haben, hat man gemerkt, wie die Leute sehr emotional wurden. Das ist das, was meine erste Heimat, der Libanon, braucht: eine neue Sprache auf neuen musikalischen Wegen zu entwickeln, um sich ausdrücken zu können. Die Menschen leben dort schon so lange damit, dass sich die Dinge kulturell nicht weiterentwickeln. Man merkt diese Sehnsucht nach neuen Wegen in der Sprache und der Musik.“

Stefan Franzen

Masaa: Outspoken (Traumton)