Ankommen Drei Fragen an unseren taz.meinland-Redakteur über seine Erfahrungen, seine Wünsche und die Übergangszeiten
: „Ich komme meinem Ziel näher, dazuzugehören“

Burhan Yassin

Foto: privat

Jahrgang 1992, ist taz.meinland-Redakteur. Er hat einen Bachelor in "Journalismus" in Beirut gemacht und lebt seit 2015 in Deutschland.

taz.am Wochenende: Wie wirkte die deutsche Gesellschaft auf dich bei deiner Ankunft?

Burhan Yassin: Im August 2015 bin ich aus dem Libanon nach Deutschland gekommen, und um ehrlich zu sein, war es gar nicht so, wie ich es mir erträumt habe. Natürlich immer noch positiv, doch eben anders. Schnell wurde mir bewusst, dass ich es hier mit zwei Kategorien von Menschen zu tun habe: Die einen haben mich mit großer Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit aufgenommen. Die anderen lehnten mich und auch die anderen Flüchtlinge von Anfang an ab. Dass ich mich mit beiden Gruppierungen auseinandersetzen muss, stand für mich fest. Doch dafür musste ich zuerst die Sprachbarriere überwinden. Und nicht nur diese, denn um ein Mitglied in der deutschen Gesellschaft zu werden, fehlten mir auch noch die kulturellen Aspekte. Seit Anfang des Jahres habe ich endlich das Gefühl, dass ich mich diesen auch annähere. Mittlerweile darf ich einen Deutschkurs besuchen. Zuvor habe ich die wichtigen Sätze auf der Straße oder über das Internet gelernt. Ich habe eine eigene Wohnung, deutsche Freunde gefunden und komme auch wieder mit meiner Berufsgruppe in Kontakt. Durch all diese Fügungen komme ich meinem Ziel näher, dazuzugehören.

Wurde dein Ziel auch von unserer Regierung unterstützt?

Es gibt nie die Möglichkeit, alles perfekt zu machen. Aber die Unterstützung, die ich hier wirklich benötigt habe, kam nicht von der deutschen Regierung. Durch das lange Warten hat sie mir eher Steine in den Weg gelegt. Ich habe immer noch keine Arbeitserlaubnis, ich musste 1,5 Jahre auf ein Zimmer für mich warten, auf die Möglichkeit, einen Deutschkurs zu machen und eine Rechtsberatung zu bekommen. Ich habe mir selbst Unterstützung gesucht und bei tollen, ehrenamtlichen Einrichtungen gefunden. Vieles von dem, was ich jetzt erreicht habe, liegt an mir, aber vor allem auch an der Hilfe anderer und nicht an der Regierung.

Gibt es denn etwas, was du dir von „unserer Seite“ wünschen würdest?

Ich denke, man muss uns zuhören, was wir zu sagen und zu erzählen haben. Denn durch gute Kommunikation könnten viele Probleme aus dem Weg geschafft werden. Natürlich müssen wir, als Neuankömmlinge in Deutschland, manche Verhaltensmuster ablegen. Nur geht das nicht von heute auf morgen. Und wenn man erst einmal versteht, wie wir es eigentlich meinen, ist es in der Übergangszeit gar nicht so schlimm. Zum Beispiel habe ich anfangs sehr laut gesprochen, vor allem am Telefon. Ich bin das aus dem Libanon so gewöhnt – man muss sich immer mit der Stimmgewalt durchsetzen. Hier wird dies als aggressiv und störend empfunden. Ich kann mir das natürlich abgewöhnen, ich will ja auch nicht so auffallen. Doch bis dahin möchte ich auch nicht dafür angegriffen werden. Ich wünsche mir, dass ich irgendwann wirklich dazugehören werde. Mein Ziel ist nicht unbedingt, direkt ein „Deutscher“ zu werden – vielleicht erst einmal Berliner.

Interview Malaika Rivuzumwami