Höchststrafe für Mord aus Fremdenhass

MARWA-PROZESS Der Russlanddeutsche Alex W. ist wegen Mordes an Marwa El Sherbini zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Das Gericht sieht eine besondere Schwere der Schuld

Die niedrigen Beweggründe ergeben sich vor allem aus dem Ausländerhass des Mörders

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Höchststrafe für den Mörder der Ägypterin Marwa El Sherbini: Die Schwurgerichtskammer am Dresdner Landgericht hat den jungen Russlanddeutschen Alex W. am Mittwoch wegen Mordes und versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem stellte das Gericht eine besondere Schwere der Schuld fest und folgte damit den Anträgen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage. Das bedeutet, dass der Mörder nicht schon nach 15 Jahren mit einer Entlassung rechnen kann.

Alex W. hatte in der Berufungsverhandlung wegen einer Beleidigungsklage am 1. Juli dieses Jahres Marwa tödlich und ihren zu Hilfe eilenden Mann Elwy Ali Okaz lebensgefährlich verletzt. Anlass war ein vergleichsweise nichtiger Streit auf einem Kinderspielplatz zwischen ihr und dem Angeklagten.

In der Beweiswürdigung sah die Kammer unter Vorsitz von Richterin Birgit Wiegand die beiden wesentlichen Merkmale für Mord erfüllt. Staatsanwalt Frank Heinrich und die Nebenkläger der Familie hatten Heimtücke und niedrige Beweggründe unterstellt. Das Vorgehen des Angeklagten ließ ungeachtet seiner problematischen Persönlichkeit demnach nur den Mordvorsatz erkennen. Alex W. war zuvor zwar schon mit einem Klappmesser, aber noch nie mit der 18 cm langen Mordwaffe gesehen worden, die er angeblich stets bei sich trug. Nach der Zeugenvernehmung Marwas am 1. Juli nahm er das Messer heimlich aus dem Rucksack und stieß zur Überraschung aller unvermittelt auf die Ägypterin ein.

Die niedrigen Beweggründe ergeben sich nach Begründung der Kammer vor allem aus dem Ausländerhass des Mörders, den er offen in der damaligen Gerichtsverhandlung und gegenüber dem psychiatrischen Gutachter Stephan Sutarski geäußert hatte. Insbesondere spricht er den Muslimen ein Lebensrecht in Deutschland ab und hält sie durchweg für Islamisten und Satanisten. Hass auf die Justiz wegen des als ungerecht empfundenen Urteils in erster Instanz und Rachegefühle kommen hinzu. Nur in einem Punkt folgte das Gericht nicht der Auffassung des Staatsanwalts, es handle sich um einen Angriff auf eine Gruppe. Der Angriff W.s habe klar der verhassten Marwa gegolten, die Attacke auf ihren Mann habe erst eingesetzt, als er ihr zu Hilfe eilte.

Das Gericht schloss sich der Auffassung des Gutachters an und hält W. für voll schuldfähig. Als erschwerend sah es die Kammer an, dass sich der Mörder in der Hauptverhandlung nie selbst äußerte. Am Dienstagabend hatte Pflichtverteidiger Michael Sturm noch ausführlich für verminderte Schuldfähigkeit wegen einer Tat im Affekt plädiert. Ein am selben Tag erst in die Hauptverhandlung eingeführtes Schreiben aus Russland, das seine Ausmusterung vom Wehrdienst wegen einer „undifferenzierten Schizophrenie“ belegt, sollte diese Argumente stützen. Sturm bemühte ausführlich Fachliteratur und verlangte einen neuen Gutachter.

In der Urteilsbegründung wird allerdings ein ausführliches Bild der gestörten Persönlichkeit des Angeklagten gezeichnet. Sein Naturell sei verschlossen und leicht depressiv. Die Kindheit in Russland und die Verhältnisse dort habe er stets als „alles Scheiße“ bezeichnet. Deutschland habe er als ein „perfektes Land“ erträumt und hier nach der Umsiedlung 2003 sofort mit auffälligem Eifer Deutsch gelernt, um ein besonders guter Deutscher zu werden. Umso enttäuschter sei er gewesen, hier „Multikulti-Scheiße“ vorzufinden. Ausbleibender beruflicher Erfolg und sein Ausländerhass habe ihn von potenziellen Freunden immer weiter isoliert. Von der Bevölkerung werde er trotz seines Deutschtums als „Russe“ behandelt.

Dennoch habe er bis zur Bluttat ein unauffälliges und relativ ordentliches Leben geführt. Eine anhaltende schizophrene Erkrankung, die den Mord relativieren könnte, verneinte die Vorsitzende ausdrücklich.

Anwesende ägyptische Pressevertreter meinten, über den konkreten Mordfall hinaus solle das Urteil Anlass sein, öffentlich über das Verhältnis zu den Muslimen zu diskutieren. In ähnlichem Sinn demonstrierten vor dem Landgericht einige Dutzend Dresdner Muslime.