Ein konservativer Politiker, der klar sagt, was er denkt

Griechenland Konstantinos Mitsotakis, früherer Ministerpräsident, ist mit 98 Jahrengestorben

Unvergesslich bleibt eine Protestaktion gegen Mitsotakis im Jahr 1992 in Athen

ATHEN taz | Konstantinos Mitsotakis war fast 60 Jahre lang in der Politik aktiv. Der Spross einer Politikerfamilie wurde 1918 auf Kreta geboren und beteiligte sich am Widerstand gegen die deutsche Besatzung der Mittelmeerinsel. 1946 wurde der Jurist erstmals ins Parlament gewählt, dem er bis 2004 angehörte. Nach dem Putsch der Militärjunta 1967 wurde er festgenommen, ihm gelang aber die Flucht nach Paris, wo er bis zum Ende der Militärregierung 1974 im Exil lebte.

Mitsotakis hat oft das Richtige erkannt, aber nicht immer durchsetzen können. Fast ist es ein Wunder, dass er sich gegen Sozialistenchef Andreas Papandreou behaupten konnte zu einer Zeit, als in Hellas mit harten Bandagen gekämpft wurde. Bei der Wahl 1985 scheiterte er noch an einem mysteriösen, im regierungsnahen Blatt Avriani publizierten Foto, das ihn im Beisammensein mit Nazi-Offizieren zeigte. Ausgerechnet Mitsotakis, der auf Kreta gegen die deutschen Besatzer kämpfte, ein Kollaborateur? Später hieß es, das Foto sei Fake-News, die Stasi hätte ihre Hand im Spiel.

1990 schlug seine große politische Stunde: Nach drei Wahlgängen konnte er eine Regierung bilden und Papandreou mithilfe der Linken und der Kommunisten (KKE) vor ein Sondergericht wegen Korruptionsverdachts bringen. Die Sozialisten sprachen von einer „unheiligen Links-rechts-Allianz“, doch der KKE-Chef ließ sich nicht beirren: „Mitsotakis ist ein ideologischer Gegner, aber er sagt direkt, was er denkt“, lobte er damals.

Mitsotakis war befreundet mit US-Präsident George Bush, den er mehrmals zu Gast in seinem Haus auf Kreta hatte. Ebenfalls enge Verbindungen unterhielt Mitsotakis zu dem serbischen Machthaber Slobodan Milošević. Als Regierungschef sagte Mitsotakis auch den Wählern direkt, was er denkt: „Wir können nicht auf Pump leben. Wenn das so weiter geht, wird der Internationale Währungsfonds unsere Finanzen übernehmen“, donnerte der einstige Wirtschafts- und Außenminister in weiser Voraussicht. Er konnte erste Reformansätze bei den Staatsfinanzen und den Renten umsetzen, geriet aber in Konflikt mit den Gewerkschaften. Unvergesslich bleibt eine Protestaktion aus dem Frühjahr 1992, als er die Athener Busgesellschaft privatisieren wollte: Aufgebrachte Busfahrer attackierten die neuen Kollegen, rissen ihnen die Kleidung vom Leib und ließen sie nackt durch die Athener Innenstadt laufen. Wenn Linkspremier Alexis Tsipras gegen die „neoliberale Politik“ Sturm läuft, dann hat er die Mitsotakis-Politik im Blick. Aus gutem Grund: Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis ist Sohn des Verstorbenen. Und führt derzeit in allen Umfragen.

Jannis Papadimitriou