Bewährung für tödliches Wettrennen?

BGH Nach tödlichem Autorennen in Köln fordert Revision den Vollzug der Haftstrafen

Der Unfallort am Kölner Auerweg Foto: Oliver Berg/dpa

KARLSRUHE taz| Kann eine Bewährungsstrafe genügen, wenn bei einem illegalen Autorennen ein Mensch getötet wird? Das muss nun der Bundesgerichtshof (BHG) in einem Fall aus Köln entscheiden. Dort war eine junge Frau ums Leben gekommen.

Erkan F. (damals 22) und Firat M. (21) wollten im April 2015 frühabends zu den Rhein­terassen fahren. F. im BMW und M. im Mercedes. An einer Ampel stoppten sie ein letztes Mal, dann brauste F. mit einem Blitzstart davon, M. dicht hinterher. Es sei ein „spontanes“ Rennen gewesen. Nach wenigen hundert Meter verlor der vorausfahrende F. bei 95 Stundenkilometern in einer Kurve die Kontrolle über seinen BMW. Er kollidierte mit einer 19-jährigen Jurastudentin, die auf dem Radweg neben der Straße fuhr. Sie starb kurze Zeit später im Krankenhaus.

Das Landgericht Köln verurteilte F. und M. ein Jahr später wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren (F.) und 21 Monaten (M.), die jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die Führerscheine wurden jeweils für dreieinhalb Jahre entzogen. Gegen das Urteil waren Angeklagte und Staatsanwaltschaft in Revision gegangen.

Die Revision der Angeklagten hatte der BGH schon am Dienstag ohne Verhandlung abgelehnt. In der Verhandlung ging es also nur noch um das Rechtsmittel der Anklage, die lediglich die Strafhöhe und die Aussetzung zur Bewährung beanstandet hatte. „Damit müssen wir uns nicht mit der Frage aus­ein­andersetzen, ob hier auch die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts möglich gewesen wäre“, sagte die vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible zu Beginn der Verhandlung. Das Landgericht Berlin hatte Anfang des Jahres zwei Raser, die den Tod eines Rentners verursacht hatten, wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Annette Böringer, monierte in Karlsruhe in erster Linie die Aussetzung der beiden Freiheitsstrafen zur Bewährung. Laut Gesetz sei dies immer dann nicht möglich, wenn die „Verteidigung der Rechtsordnung“ den Vollzug einer Gefängnisstrafe erfordere.

Das Landgericht, so Böringer, habe sich aber gar nicht mit der Wirkung seines Urteils auf das „Rechtsempfinden der Bevölkerung“ auseinandergesetzt. In Köln hätten die Bewährungsstrafen „große Bestürzung“ ausgelöst, was durch zahlreiche Medienberichte belegt sei. Michael Biela-Bätje, der Verteidiger des Todesfahrers M., entgegnete: „Man darf nicht jede Presseveröffentlichung mit dem Rechtsempfinden der Bevölkerung gleichsetzen.“

Die Anklagevertreterin monierte außerdem, dass sich das Kölner Gericht nicht genug mit dem „Nachtatverhalten“ von Firat M. auseinandergesetzt habe. Dieser hatte nach dem tödlichen Unfall die Polizei ermahnt, vorsichtig mit dem sichergestellten Mercedes umzugehen, denn allein die Felgen hätten 3.600 Euro gekostet. Sein Verteidiger. Sebastian Schölzel. wies darauf hin, dass M. zu diesem Zeitpunkt noch nicht begriffen hatte, dass er als Teilnehmer eines illegalen Rennens Mitverantwortung für den Tod der Studentin hatte.

Auch die vorsitzende Richterin wollte dem Verhalten kein rechtliches Gewicht zumessen. „Das mag charakterlich anstößig sein, daraus folgt aber noch keine rechtsfeindliche Haltung.“ Der BGH dürfe in der Revision nur Rechtsfehler korrigieren, sich aber nicht mit eigenen Wertungen an die Stelle des Landgerichts setzen.

Auch die Angeklagten waren gegen das Urteil in Revision gegangen

Die beiden Angeklagten waren nicht nach Karlsruhe gekommen. Anwesend waren aber Vater und Bruder der getöteten Studentin. Das Urteil wird am 22. Juni verkündet.

Christian Rath