Kontaminierter Backstein

STADTPLANUNG Die City-Hochhäuser sollen durch eine Häuserfront mit der Anmutung des benachbarten Kontorhausviertels ersetzt werden. Kritiker bewerten das als Missachtung des Denkmalschutzes

Einen neuen Eingang zum Kontorhausviertel mit historischer Anmutung für den Deichtorplatz (oben) sieht der Siegerentwurf vor. Dagegen steht die Idee, den City-Hof neu in Weiß erstrahlen zu lassen Foto: Abb: KPW Papay Warncke und Partner Architekten mbB/bloomimages; gmp Architekten

von Gernot Knödler

Schön fand sie eigentlich niemand, die vier City-Hochhäuser, die wie die Türme einer Stadtmauer in Sichtweite des Hauptbahnhofs stehen. Doch als ruchbar wurde, dass sie abgerissen werden sollten, fand sich plötzlich eine Phalanx aus Fürsprechern: die verfasste Architektenschaft, der Denkmalschutz, Weltkulturerbebewahrer, die Opposition und eine veritable City-Hof-Ini­tiative wandten sich alarmiert an die Öffentlichkeit.

Selbst nachdem das Wettbewerbsergebnis für den Neubau nun vorliegt, ist die Kritik nicht verstummt. Der Siegerentwurf erreiche „nicht annähernd die städtebauliche Prägnanz und Qualität des City-Hofs“, urteilt Kristina Sassenscheidt, die Vorsitzende des Denkmalvereins. „Keines der sieben Wettbewerbsergebnisse ist so herausragend, dass der Denkmalschutz entfallen kann“, findet Heike Sudmann, Abgeordnete der Linken.

Die Hochhäuser, in denen zurzeit noch das Bezirksamt Mitte residiert, galten lange Zeit als Schandfleck und städtebauliche Fehlplanung. Mit grauem Eternit verkleidet, vernachlässigt und mit einem nicht mehr funktionierenden Konzept für das Erdgeschoss schien es keine Frage, dass sie zum Abriss freigegeben würden. Doch noch ist der Denkmalschutz nicht aufgehoben und manche hoffen, dass das 50er-Jahre-Ensemble doch noch zu retten ist.

Der Abriss wäre wohl die letzte große Weichenstellung des im Juli scheidenden Oberbaudirektors Jörn Walter. Mit der neuen Bebauung am Klosterwall will er das Kontorhausviertel abrunden und der Innenstadt eine neue Kontur geben. „Das Kontorhausviertel ist eine große Idee“, sagt Walter. „Die zu vervollständigen wäre eine Aufgabe für unsere Generation.“

Der Siegerentwurf des Büros KPW Papay Warncke und Partner gibt dem Kontorhausviertel eine Fassung, indem es dieses nach Osten hin abschließt und am Deichtorplatz einen schützenden Eingang zum Quartier schafft, wo es heute trichterförmig offensteht. Mit Backsteinfassaden und Staffelgeschossen, nimmt er den Stil der benachbarten Kontorhäuser auf. Das Viertel werde durch den Neubau „nicht übertrumpft, sondern ergänzt“, lobt Walter. Hier nehme sich die Architektur endlich mal zugunsten der Stadtgestalt zurück.

Der City-Hof, der heute hier steht, wurde als das glatte Gegenteil konzipiert – als Gegenentwurf zu den düsteren Kontorhäusern aus der ersten Hälfte des 20sten Jahrunderts mit ihrem schwierigen Erbe. Werner Hebebrand, der erste Oberbaudirektor der Nachkriegszeit, wollte sich bewusst davon absetzen.

„Man war damals beseelt von der Wiedergutmachung an der weißen Moderne“, sagt der Architekt Volkwin Marg. Und so baute Rudolf Klophaus Ende der 50er-Jahre statt eines geschlossenen Blockrandes vier, mit weißer Keramik – so genannten Leca-Plattden – verkleidete Hochhaus-Scheiben über einem Sockelgeschoss.

Klophaus, sagt Marg, habe dabei auf seine viel massiveren Hochhauspläne aus den 20er-Jahren zurückgegriffen und sei damit nach einem weiten Umweg wieder bei seinen Anfängen gelandet. „Das Kontorhausviertel spiegelt die Stilgeschichte seit den 20er-Jahren“, sagt Marg, „vom Expressionismus über die Neue Sachlichkeit bis zu Blut und Boden und zur Nachkriegsmoderne.“

Klophaus hat jede dieser Stil­epochen mitgemacht. „Daran ist zu erkennen, wie die Architektur den ideologischen Schwankungen der Zeit folgt“, sagt Marg. Für ihn ist das ein Argument, auch Klophaus’letzten Bau zu erhalten, und er hat dazu mit einem Investorenkonsortium einen Vorschlag gemacht. In der ersten Auswahlrunde für die Vergabe des städtischen Baugrundstücks noch auf Platz eins, verwarf ihn der Senat später aus formalen Gründen. Marg wirft Senat und Bürgerschaft vor, mit dem Abriss ihre Vorbildrolle beim Denkmalschutz zu verraten und mit juristischen Winkelzügen ihr eigenes Gesetz zu unterlaufen.

Walter verwirft Margs musealen Ansatz und argumentiert, an dieser Stelle könnte „Hamburg schöner und besser werden – funktional und gestalterisch“. Und als Einzelbauwerk habe der City-Hof nicht die Qualität vergleichbarer Bauten seiner Zeit, etwa der Grindel-Hochhäuser oder des alten Unilever-Gebäudes – wo dem Denkmalschutz der Vorrang eingeräumt wurde.