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Auf dem Holzweg

Architektur Holz besitzt hervorragende bauphysikalische und wärmedämmende Eigenschaften. Eine schwedische Wohnungsbaugesellschaft baut daraus Hochhäuser

Vorteil gegenüber Stahl und Beton: Holz muss nicht erst mit hohem Energieaufwand hergestellt werden Foto: Petra Bindel/Folkhem

Von Kristina Simons

Zwei Drittel der Fläche Schwedens bestehen aus Wald, das Bauen mit Holz hat hier Tradition. Wer durch die baum- und seenreiche Landschaft fährt, sieht überall Einfamilienhäuser aus Holz, gestrichen im typischen Falunrot, in Gelb, Weiß oder Blau. Die schwedische Wohnungsbaugesellschaft Folkhem (Volksheim) will den uralten Baustoff nun in die Städte zurückbringen und zeigen, dass sich Holz auch für Mehrfamilienhäuser bestens eignet. In Sundbyberg, etwa acht Kilometer nördlich von Stockholm, hat Folkhem vom schwedischen Architekturbüro Wingårdh sein erstes Projekt verwirklichen lassen.„Strandparken“ heißen die beiden achtgeschossigen Häuser mit insgesamt 31 Wohnungen, die – und das ist bislang einzigartig – komplett aus Holz bestehen. Folkhems Geschäftsführer Arne Olsson bezeichnet sie auch als „Wooden Sky­skapers“. Ihre Baukörper bestehen aus vorfabrizierten Massivholzmodulen, die außen mit senkrechten Holzschindeln verkleidet sind. Mit ihren natürlichen Farbschattierungen nehmen sie Farbschwankungen auf, wenn das Holz mit dem Alter langsam silbergrau wird. Auch Böden, Decken, Wände und weitere Gestaltungselemente im Innern sowie die Balkone be­stehen aus Holz.

Dass die Häuser ganz ohne Stahl oder Beton auskommen, macht sie besonders klimafreundlich, denn deren Produktion verursacht immense CO2-Emissionen. Holz muss dagegen nicht erst mit hohem Energieaufwand hergestellt werden und es wächst immer wieder nach. Zwar wurden auch durch den Bau der beiden Strandparken-Häuser je 600 Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen. „Doch das entspricht nur etwa der Hälfte eines vergleichbaren Betonbaus. Zudem bindet Holz während seines Wachstums CO2, umgerechnet auf den Strandparken pro Haus 1.600 Tonnen“, sagt Olsson. Die CO2-Bilanz der Gebäude fällt deshalb mit jeweils minus 1.000 Tonnen negativ aus. Und damit positiv fürs Klima. „Ein Baum braucht zwar etwa 70 Jahre, bis man ihn als Baumaterial nutzen kann. Doch die rund 1.000 Kubikmeter Holz, die für jedes unserer Häuser verbaut wurden, produziert der schwedische Wald in nur einer Minute“, erläutert der Folkhem-Chef. Denn für jeden gefällten Baum werden in Schweden drei bis vier neue gepflanzt. „Deshalb haben wir hier heute mehr Wald als vor 100 Jahren.“

Olsson bewohnt seit Ende 2016 zusammen mit seiner Frau eine Wohnung im Strandparken. Schon im Treppenhaus fällt auf, wie sehr Tritte und andere Geräusche geschluckt werden. Das Raumklima in der Wohnung ist behaglich, die Wände strahlen eine angenehme Wärme ab, nirgendwo zieht es – wie in so vielen Altbauten. „Das kommt durch die dicken Holzschichten“, erklärt Olsson, „sie regulieren die Luftfeuchte und sorgen für die gute Dämmung.“

Geschichtet und gepresst: keine Probleme mit dem Brandschutz

Dass Architekten und Bauherren trotz der vielen Vorzüge erst seit wenigen Jahren auch im mehrgeschossigen Bau auf Holz setzen, hat vor allem rechtliche Gründe: So durften Holzhäuser in Schweden bis 1994 nur maximal zwei Geschosse haben. Verheerende Stadtbrände hatten Ängste vor mangelndem Feuerschutz geschürt. Inzwischen reicht hier ein Brandschutznachweis. „Unser Holz ist geschichtet und wird gepresst, dadurch enthält es kaum anfeuernde Sauerstoffporen und brennt nicht schneller als herkömmliche Baumaterialien“, erläutert der Folkhem-Geschäftsführer. Die Stockholmer Feuerwehr hat das Projekt deshalb unterstützt. Jeder Raum ist zudem unabhängig voneinander mit einer Sprinkleranlage ausgestattet. Folkhem lässt inzwischen von verschiedenen Architekturbüros nur noch in Holz bauen. „Wir planen im Umkreis der schwedischen Hauptstadt bereits 18 weitere Projekte mit 6 bis 22 Geschossen.“ Damit begegnet die Wohnungsbaugesellschaft jenseits der Klimafrage noch einem weiteren Problem: In Städten wie Stockholm wächst die Bevölkerung rasant und der Wohnraum wird immer knapper. Mit Holz lässt sich schnell bauen, gerade mal sieben Monate betrug die Bauzeit der Strandparken-Häuser. Holzwände sind zudem sehr viel dünner als Steinwände, ­entsprechend größer ist die Wohnfläche.

Schon seit einigen Jahren erlebt Holz beim urbanen Hausbau ein Revival, selbst an Mehrgeschosser wagen sich weltweit immer mehr Architekten heran. Sie werden allerdings normalerweise in Holz-Hybrid-Bauweise errichtet, also aus Holz plus Beton und/oder Stahl. In Europa hat nach der Lockerung der strengen Brandschutzvorschriften der Berliner Architekt Tom Kaden 2008 Pionierarbeit geleistet und im Bezirk Prenzlauer Berg ein solches Wohnhaus mit sieben Geschossen und Decken aus einem Holz-Beton-Verbund gebaut. In Österreich wachsen Holzbauten mittlerweile ebenfalls in die Höhe. Im neuen Wiener Stadtteil Aspern entsteht derzeit mit dem „HoHo Wien“ das höchste Holzhaus der Welt: mit 84 Meter Höhe und 24 Stockwerken. Spatenstich war im letzten Oktober, inzwischen liegt das Fundament, 2018 soll das Mammutprojekt fertig sein. Auch das HoHo Wien wird in Holz-Hybrid-Bauweise errichtet: mit einem Erschließungskern aus Stahlbeton, auf den ab dem Erdgeschoss eine Holztragekonstruktion aufsetzt. Die gesamte Konstruktion wird zu rund 75 Prozent aus Holz bestehen, insgesamt werden etwa 3.600 Kubikmeter davon verbaut, etwa 0,6 Promille des jährlichen österreichischen Holzüberschusses. Gegenüber einem vergleichbaren Stahlbetonbau spart das nach Angaben des Investors Kerbler Holding rund 2.800 Tonnen CO2-Äquivalente.

Die Schwedische Botschaft und das Svenska Institutet haben die Pressereise nach Sundbyberg ermöglicht.