„Wir wollen den hier nicht“

Stichwahl in Frankreich Der ehemalige sozialistische Ministerpräsident Manuel Valls dürfte seinen Wahlkreis gewinnen, obwohl er von allen Seiten geschnitten wird

Sozialist und Expremier Manuel Valls (25,45 Prozent) mit potenziellen Wählern in Évry Foto: Arnaud Joumois/dpa

Aus Évry FrÉdÉric Valin

„Und Valls, ist er da?“ Kopfschütteln, Schulterzucken. Die Wahlkämpfer sehen sich grinsend an: Die Frage ist hier eher fehl am Platz. Vertreten sind nur die Unterstützer Farida Amranis vom Unbeugsamen Frankreich (France Insoumise), Valls’ ganz linke Konkurrentin um den Sitz im Parlament. Aber Valls ist nicht da. „Warum nicht?“ Schulterzucken. „Um ehrlich zu sein“, sagt einer der Wahlkämpfer, „tritt er öffentlich nur selten auf, er fürchtet die Proteste gegen ihn.“

Das ist ungewöhnlich. Die meisten Kandidaten lassen die Märkte nicht aus, jetzt, ein paar Tage vor der Stichwahl. Aber hier, gegenüber vom Bahnhof Evry-Courcouronnes, auf dem Wochenmarkt (wenig Obst, viel Klimbim), präsentiert sich nur eine Partei: Mélenchons Linke. Valls geht wohl eher Klinken putzen. Von Angesicht zu Angesicht fürchtet er offenbar weniger Unangenehmes.

Eine größere Öffentlichkeit ist ihm jedenfalls nicht sehr gewogen. Valls gilt den Umfragen nach als der unbeliebteste Politiker Frankreichs. Für viele Linke ist er einer der Totengräber der Sozialistischen Partei (PS). Er war ein „harter Hund“, sagt man hier, ein „Arschloch“, sagen andere. „Das können Sie ruhig so aufschreiben!“

Auf jeden Fall war er Premier­minister, und seine Interventionen zugunsten eines aufgeweichten Arbeitsrechtes sowie seine Forderung nach mehr Anpassungen seitens der Einwanderer hat man ihm hier nicht verziehen. Ebenso unbeliebt war er in seiner Partei, wo seine rechtslastige Politik als Premier eine Spaltung provozierte, die Präsident Francois Hollande die Regierungsmehrheit kostete.

„Soll er doch zurück nach Spanien gehen“, schimpft eine ältere Frau. Valls ist in Barcelona geboren. „Wir wollen den hier nicht.“ Valls ist – trotz allem – in die zweite Runde eingezogen und im Rennen um einen Sitz im Parlament. 25,45 Prozent hat er hier erzielt, in seinem Wahlkreis, im Süden des Pariser Speckgürtels, seine Gegenkandidatin Amrani kam auf 17,61 Prozent. Die konservativen Republikaner erzielten nur 11,8 Prozent und der Front National verbuchte glatt zehn Prozent, zu wenig, um in die Stichwahl zu kommen.

Ursprünglich wollte Valls, der Sozialist, sich Macrons En Marche anschließen

Ursprünglich wollte Valls, der Sozialist, sich Macrons En Marche (REM) anschließen und seine Kandidatur groß im Fernsehen ankündigen, aber das Wahlkomitee von REM lehnte ihn ab: zu sehr Establishment, zu verbraucht, alte Schule. Trotzdem stellte REM keinen Gegenbewerber auf, ebenso wenig wie seine Partei, die Sozialisten. Benoît Hamon, ehemaliger Präsidentschaftskandidat des PS, empfahl allerdings öffentlich die Wahl seiner Konkurrentin Amrani; das örtliche Büro des PS verweigert die Stellungnahme, der abgesägte potentielle REM-Kandidat auch.

Die Unterstützer von France Insoumise haben keinen leichten Job, viele der Passanten winken ab. 62 Prozent haben nicht oder ungültig gewählt in Évry. Das sind zehn Prozent mehr als 2012, als Valls klar ins Parlament einzog. 7.033 Stimmen hat er jetzt gegen 4.868 Stimmen für Amrani. Die Linke ist nicht sehr stark in diesem Wahlkreis. Amrani kann nicht auf Mitnahmeeffekte zählen. „Wir haben keine Angst“, sagt sie. Und Hoffnung? Schulterzucken. „Natürlich!“

Valls hat also gute Chancen, im Parlament zu bleiben, auch ohne die REM. Nachdem die ihn ablehnten, giftete er, Macron sei „grenzenlos bösartig“. Sollte er gewinnen, wird er sicher keinen Posten erhalten, aber einen Titel: der unbeliebteste Parlamentarier des Hauses.