Geht’s noch?
: „Nie wieder“

Polens Premierministerin benutzt die deutschen Verbrechen in Auschwitz, um ihre Landsleute MIT Flüchtlingen zu ÄNGSTIGEN

Terroristen, Sozialschmarotzer, todbringende Bazillenträger – das waren bislang Kriegsflüchtlinge für polnische Regierungspolitiker. Diese seit Mitte 2015 anhaltende Angst- und Hetzkampagne der na­tio­nalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist schon schlimm genug. Nun aber sagte Polens Premier Beata Szydło am vergangenen Mittwoch etwas so Unfassbares, dass viele glaubten, sich verhört zu haben: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen, verblendet von verbrecherischen Ideen, anderen das Recht auf ihr Leben nehmen.“ Die Aufgabe der Politiker sei es, dafür zu sorgen, dass es nie wieder zu so schrecklichen Ereignissen wie in Auschwitz und anderen Todesorten komme. „Auschwitz ist in unseren unruhigen Zeiten eine große Lektion dessen, dass man alles tun muss, um Sicherheit und Leben der eigenen Staatsbürger zu schützen.“

Anlass der Rede war der „Nationale Tag des Gedenkens an die Opfer der deutschen Nazi-Konzentrations- und Vernichtungslager“, der an den ersten Transport am 14. Juni 1940 von vor allem christlichen Polen nach ­Auschwitz erinnert. Beata Szydłos Satz bekommt seine skandalöse Bedeutung im Kontext der permanenten PiS-Hetze gegen Kriegsflüchtlinge und EU-Politiker, die Polen an die Aufnahme von rund 7.000 Flüchtlingen erinnern. Obwohl Polen sich vertraglich dazu verpflichtet hat, behauptet die aktuelle Regierung, dass sich die Sicherheitslage geändert habe, unter den Flüchtlingen Terroristen seien und der Westen durch seine „Humanität und Solidarität“ der Selbstvernichtung entgegengehe. Das Vertrags­verletzungsverfahren, das die Europäische Kommission vor Kurzem einleitete, bezeichnen Polens Politiker als „Erpressung“ oder „Diktat aus Brüssel“. Warum die EU gegen diese permanente Hetze und Verächtlichmachung nicht vorgeht, bleibt ein Rätsel.

Tatsächlich konnten in Polen die Bürger unter der brutalen deutschen Besetzung 1939 bis 1945 nur unzureichend vor den Nazis geschützt werden: Rund 95 Prozent der polnischen Juden wurden ermordet, und rund 10 Prozent der polnischen Christen kamen ums Leben. Das „Nie wieder“ in­stru­mentalisiert Szydło nun aber ausgerechnet in Auschwitz für die eigene restriktive Flüchtlingspolitik, als seien die Flüchtlinge die neuen Nazis, die Polen besetzen und ermorden wollten.

Gabriele Lesser