Der popmusikalische Botschafter

Elmar Werner ist Pfarrer, Musikmanager, Gründer eines Fußballclubs und Firmenchef. Das Konzert der Söhne Mannheims am Sonntag geht auf ihn zurück. Es ist Teil der Feiern zu 40 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel

von GUNNAR LEUE

Die israelische Botschaft in Wilmersdorf gehört zu den am stärksten gesicherten Gebäuden Berlins, Besucher müssen strengste Kontrollen über sich ergehen lassen. Nicht so Elmar Werner, den die Wachleute bestens kennen. Der schwergewichtige Mann mit dem jugendlich wirkenden Lockenkopf kommt oft hierher – zeitweise jede Woche –, weil er etwas mit Botschaftsrat Joel Lion zu bereden hat. Denn der 42-jährige Berliner ist Experte für „deutsch-israelische Projekte“.

Zwei-, dreimal im Jahr reist er nach Israel, um im Kleinen zu organisieren, was im Großen auch 40 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel immer noch den Anstrich des Besonderen hat: Begegnungen zwischen Israelis und Deutschen. Es gibt kaum einen Bereich, in dem Elmar Werner nicht schon Kontakte hergestellt hat: Er brachte Fußballer, Firmen, Köche und Musiker zusammen, sogar ganze Städte. Die Partnerschaft zwischen Frankfurt (Oder) und Kadima „ist auf meinem Mist gewachsen“, sagt er.

Sein erstes professionelles Projekt managte er 1996, als er für den damaligen israelischen Meister Beitar Jerusalem in Berlin ein Trainingslager und Freundschaftsspiele unter anderem gegen Hertha BSC und Dynamo Dresden organisierte. Auch der Auftritt der Söhne Mannheims, dieser deutschen Soul-Pop-Gruppe, am Sonntag in der Max-Schmeling-Halle wäre ohne Elmar Werner nicht zustande gekommen. Das Konzert, bei dem auch israelische Künstler auftreten, ist eine Art popmusikalischer Höhepunkt der offiziellen bilateralen Jubiläumsfeierlichkeiten.

Das Vorspiel fand im Juni in der Tel Aviv Opera statt, wo die Söhne Mannheims vor 2.000 Zuschauern, darunter etliche Deutsche, ein Friedenskonzert gaben. Dazu hatte Elmar Werner nicht nur die Idee geliefert, sondern gleich auch Sponsoren vermittelt, darunter die Lufthansa, die Itzehoher Versicherung und die Berliner Firma Gegenbauer. Dass der deutsche Boschafter als Schirmherr den Auftritt der Christenpopper verfolgen würde, bedurfte keiner besonderen Mühen: Rudolf Dressler war sofort von der Idee angetan.

Kennen gelernt hatten sich beide vor zwei Jahren, als Elmar Werner mit ostdeutschen Musikern – unter anderem Dirk Zöllner und der ehemalige Sänger der Stern Combo Meißen, Reinhard Fißler – Israel besuchte. Weil er fand, dass „nicht immer nur das übliche Austauschprogramm mit klassischer Musik und Ballett ablaufen muss“, hatte er sich das Projekt D-Rock@Israel ausgedacht. Mit Unterstützung der israelischen Botschaft in Berlin brachte er es auf den Weg ins Gelobte Land. „Es war die erste Tournee einer deutschsprachigen Rockband in Israel.“ In Jerusalem wurden sie sogar offiziell von den Stadtoberen begrüßt.

Im Schlepptau der Musiker hatte der Deutsche gleich noch ein paar Herren traditionsreicher Ostfirmen wie Halloren, Werderfrucht und Schilkin mitgenommen, die für ihre Produkte warben. Botschafter Dressler war so begeistert von der bunten Truppe aus dem Osten, dass er für sie beim Empfang zum Tag der Deutschen Einheit gleich eine Mini-Ostpro – eine speziellen Messe für Ostprodukte – veranstaltete.

Dass Elmar Werner einer ist, der nicht nur viele Ideen hat, sondern sie auch umzusetzen versucht, zeigte sich früh. Vielleicht, weil ihm Flexibilität in der DDR aufgenötigt wurde. Da der gebürtige Johannisthaler als Mitglied der Jungen Gemeinde den richtigen Klassenstandpunkt vermissen ließ, blieb ihm der Weg zum Abitur versperrt. „Für mich war aber immer klar: Entweder gehe ich in die Gastronomie oder ich studiere Theologie.“ Weil Letzteres erst ab 21 möglich war, lernte er zunächst Koch und wäre gern zur See gefahren. „Aber mit Westverwandtschaft fiel das aus.“ Nachdem er dann doch Theologie am Ostberliner Paulinum studiert hatte, wollte er jedoch nicht als Vikar aufs Dorf gehen. Da kochte er viel lieber im noblen Palasthotel, wo ihm sein theologisches Wissen einen exklusive Job bescherte. „Ich hatte mich immer sehr fürs Judentum interessiert und dadurch auch Ahnung von den Regeln der koscheren Küche. Vielleicht war ich sogar der einzige koschere Koch in der DDR.“

Elmar Werner amüsiert sich noch heute, wenn er von den Verrücktheiten der DDR erzählt, an denen er beteiligt war – was ihn selbst für die Kirche in der DDR zum unsicheren Kantonisten machte. Hatte der Protestant doch einmal mit einem katholischen Schulfreund einen alternativen Fußballverein gegründet. Der KSV Johannisthal 1980 wurde von der Stasi argwöhnisch beäugt. Aber sie nahm wohl an, er stünde unter dem Schutz der Kirche. Und stolz schwelgt der Vereinspräsident weiter, wie klug sie die sozialistischen Bruderverhältnisse nutzten, indem sie zu einem illegalen Turnieren mit Teams westlicher Botschaften auch sowjetische Diplomaten einluden. Oder die Geschichte Ende der 80er, als der KSV heimlich gegen Westberliner Mannschaften wie den Berliner SC und SC Dresdenia spielte. Dem MfS war auch das wohl nicht entgangen, jedenfalls versuchte es, dem suspekten Sportsfreund staatsfeindliche Schmierereien anzuhängen, wie der später aus seiner Stasi-Akte erfuhr.

Doch der Verein und sein Vorsitzender kamen heil über die Wende, die den Unternehmergeist von Elmar Werner zusätzlich anstachelte. Die Eröffnung eines Restaurants scheiterte jedoch an den Rückgabeansprüchen für das ausgesuchte Haus. Er arbeitete zunächst wieder als Koch und daneben als Teilzeit-Jugendpfarrer im Wedding. Seitdem werden im Gemeindezentrum Schillerhöhe gern rockige Töne angeschlagen. Die Jugendlichen haben ein Rockmusical auf die Bühne gebracht und selber eine Band gegründet.

Seit 1994 fährt Elmar Werner mit ihnen auch alle zwei Jahre nach Israel, um ihnen das Land näher zu bringen, das ihn selbst schon immer interessierte. „Wenn man dort ist, bekommt man nicht nur einen anderen Eindruck von Geschichte und Religion, sondern auch ein anderes Bild von Israel, als es hierzulande teilweise existiert.“ Manchmal spürt Elmar Werner bei seinen Landsleuten „ein gewisses Ätsch-Gefühl“ über die Probleme und Fehler der Israelis. „Wenn man Äpfel mit Birnen mischt und am Ende durchklingt, dass die Juden auch nicht viel besser sind als die Nazis früher, dann ist das nicht nur völlig dusselig. Man fragt sich auch, was das soll. Wir Deutschen sind bei den Israelis jedenfalls besser angesehen als umgekehrt. Die wollen auch viel mehr mit uns zusammenarbeiten.“

Die Ein-Mann-GbR „Deutsch-israelische Projekte“ will das Ihre dazu beitragen. Momentan knüpft sie Kontakte für deutsche Umwelttechnologiefirmen. Ob professionelle Unternehmensberatung oder ehrenamtlicher Jugendaustausch – Elmar Werner macht es vor allem Spaß, „unterschiedliche Leute zusammenzubringen“.

Und weil er gern auch mal um den heißen Brei redet, veranstaltet er mit einem Freund gelegentlich noch Talkshows mit Promis übers Kochen. Wo er bei so viel Trubel zur Besinnung kommt? Der Zweieinhalbzentnermann, der an der Fachschule für Altenpflege Ethik und Religion lehrt, lächelt. „Meinen persönlichen Glauben habe ich schon. Aber jeden Sonntag gehe ich nicht in die Kirche – das muss ja auch nicht sein.“

Auch am kommenden Sonntag hat er gar keine Zeit. Da findet nämlich rund um das Konzert der Söhne Mannheims ein Israel-Tag in der Max-Schmeling-Halle statt.