Tröten im Regen

WOHNEN Die Mietergemeinschaft Kotti & Co rief zum Protest und bundesweiten Aktionstag gegen explodierende Mietpreise auf

VON LAURA WÖSCH

„Wir sind noch keine linke Bewegung, aber das werden wir bestimmt noch!“, brüllt Detlef K. zum Abschluss der Demonstration einer – recht bescheidenen – Menschenmenge am Kotti entgegen. Er ist Mitglied der Initiative Kotti & Co, jener Mietergemeinschaft am südlichen Kottbusser Tor, die dort bereits seit 165 Tagen in der selbst gezimmerten Protesthütte ausharrt und gegen steigende Mieten im sozialen Wohnungsbau protestiert. Dass nun der Winter kommt, ist allen schmerzlich bewusst: „Wir wollen durchhalten! Unsere Hütte ist nicht nur wetterfest, sondern nun auch schöner als vorher!“

Die Mehrheit der BerlinerInnen ist jedoch weniger kälteresistent, scheint es. Lediglich 450 Menschen schaffen es am Sonnabend zur Demonstration, auf der gegen steigende Mietpreise und den knapper werdenden Wohnraum demonstriert wird. Das sind etwas mehr als in Freiburg, aber bedeutend weniger als in Hamburg, jene zwei Städte, die mit Berlin als Gipfel monatelanger Proteste zum bundesweiten Aktionstag aufriefen.

Während es langsam dunkel wird, setzt sich der Protestzug Richtung Reichenberger Straße in Bewegung – ein Abbild der (noch) sehr heterogenen Einwohnerschaft Kreuzbergs. Eine ältere Frau klebt einem jungen Studenten einen „I love Kotti“-Sticker ungefragt an die Lederjacke, eine andere reiht sich mit Krücken in den Demozug, neben ihr eine Percussiongruppe in Hippie-Klamotten, die sich langsam eingrooved. Auf die Frage, ob sie Teil der Initiative Kotti & Co wäre, nickt die alte Frau nur heftig mit dem Kopf und bahnt sich weiter ihren Weg.

Als der Menschenstrom die Lausitzer Straße passiert, reihen sich EinwohnerInnen ein. Ende Oktober konnte hier die Zwangsräumung einer Familie durch einen Sitzstreik der Nachbarschaft verhindert werden (taz berichtete). Die Solidarität im Kiez scheint zu wachsen; langsam realisiert offenbar die Einwohnerschaft, dass die Mieten bald nicht mehr für alle bezahlbar sein werden. „Ob Ali ob Kalle, wir bleiben alle!“ und „Wir bleiben Innenstadt“ steht auf den durchnässten Transparenten auf Deutsch und Türkisch. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind die Mieten in Berlin seit 2007 um 73 Prozent gestiegen.

Im spärlichen Schein der Straßenlaternen zieht die Demo weiter, zahlreiche Regenschirme glänzen, darunter schlägt die Menge Kochtöpfe aneinander, der Lärm übertönt Parolen wie „Löhne hoch, Mieten runter“ und „Hop, hop hop, Mietenstopp!“ Am Kottbusser Damm winken Dönerbudenbesitzer der Menge zu und deuten mit hochgehobenen Daumen, dass sie sich solidarisch erklären.

Konferenz am Dienstag

Am Kotti angekommen, meldet sich wieder Detlef K. zu Wort: „Am Dienstag kämpfen wir weiter!“ Gemeint ist damit die Konferenz „Nichts läuft hier richtig“ zum sozialen Wohnungsbau im Abgeordnetenhaus. Sie ist die einzige Forderung der Initiative Kotti & Co, der der Senat bisher nachgekommen ist. Eine Rekommunalisierung der Sozialbauten und eine Absenkung der Mieten sind Ziele des Bündnisses. Vier Arbeitsgruppen werden sich diesen Konzepten zu einer sozialeren Wohnungspolitik und nachhaltigerem Wohnungsbau widmen.