Was Madame Malmström sagt

EU-Außenhandel Die EU-Kommissarin warnt USA vor Abschottung, aber auch Russland und Frankreich

Sie wollen doch nur verladen: Hafenarbeiter Foto: Aly Song/reuters

BRÜSSEL taz | Einen Moment sah es so aus, als würde auch die EU-Kommission am Freihandel zweifeln. „Europa muss dazu beitragen, das globale Regelwerk umzuschreiben, sodass Freihandel ein fairer Handel wird“, forderte Vizepräsident Frans Timmermans in einem „Reflexionspapier“ zur Globalisierung. Bisher sei der Handel nicht allen Menschen zugutegekommen, räumte er ein.

Doch als Handelskommissarin Cecilia Malmström am Montag in Brüssel vor die Presse tritt, ist davon keine Rede mehr. Im Gegenteil: Die resolute Schwedin geht in die Offensive – und greift Amerikaner und Russen wegen ihres zunehmenden „Protektionismus“ an. Sogar der neue französische Staatschef Emmanuel Macron kassiert eine Standpauke.

Mit Macrons Vorschlag, bei öffentlichen Beschaffungen europäische Anbieter zu bevorzugen, könne sie nichts anfangen, so Malmström. Der Vorschlag sei zu vage und klinge zu sehr nach Protektionismus. Noch deutlicher wird sie gegenüber US-Präsident Donald Trump: Sollte dieser wie angekündigt Strafzölle für „strategische“ Stahlimporte verhängen, so müsse die EU sich dagegen wehren.

Das böse Wort vom Handelskrieg will Malmström zwar nicht in den Mund nehmen. Doch es ist klar, dass die Kommissarin Vergeltungsmaßnahmen vorbereitet: „Europa wird nicht tatenlos zusehen, sondern alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, wenn Länder sich nicht an die Regeln halten.“

Neben den USA hat die Brüsseler Behörde vor allem Russland, Brasilien, China und Indien auf dem Kieker. Diese Länder, die früher als aufsteigende „Brics“ gelobt wurden, hätten die meisten Handelsbarrieren errichtet, heißt es in einem am Montag vorgelegten Bericht der EU-Kommission. Insgesamt sei die Zahl der protektionistischen Hürden 2016 um 10 Prozent gestiegen.

Um gegenzusteuern, setzt Malmström nicht nur auf Vergeltung, sondern auch auf neue, immer ehrgeizigere Freihandelsabkommen. Die größten Hoffnungen setzt die Kommissarin derzeit auf das geplante Abkommen mit Japan. Noch vor dem G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg soll eine politische Einigung stehen.

Kritik an mangelnder Transparenz und fehlenden Schutzvorkehrungen für Verbraucher und Umwelt, wie sie zuletzt die Umweltschutzorganisation Greenpeace erhoben hatte, wischt Malmström empört vom Tisch. „Wenn es nach Greenpeace ginge, könnten wir gar kein Handelsabkommen schließen.“ Die Vorwürfe der Umweltschützer, die auf 200 Seiten geleakter Dokumente beruhen, seien falsch; das Ganze sei ein „Sturm im Wasserglas“.

Sogar Frankreichs neuer Präsident erhält eine Standpauke

Malmström räumt allerdings ein, dass die EU ihre neuen Regeln beim Investitionsschutz in den Verhandlungen noch nicht durchsetzen konnte. Laut Greenpeace besteht Japan weiter auf den umstrittenen privaten Schiedsgerichten (ISDS). Streit gibt es auch über das Verhandlungsmandat. Die 28 EU-Mitgliedstaaten hätten ihr nicht gestattet, das Mandat im Sinne einer größeren Transparenz zu veröffentlichen.

Dies sorgt nun auch für Ärger im Europaparlament. Der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), nannte das Verhalten der EU-Staaten inakzeptabel. Angesichts des „gewachsenen Misstrauens gegenüber Handelspolitik und einer globalisierten Weltwirtschaft“ habe er kein Verständnis für diese Blockade, so Lange. Von Malmström forderte er mehr Ehrgeiz. Jefta müsse die Standards aus dem Ceta-Abkommen mit Kanada nicht nur einhalten, sondern sogar noch überbieten. Auch über Ceta hatte es Lange Streit gegeben. ERIC BONSE