Google: Showdown ums Shopping

Rekordstrafe 2,42 Milliarden Euro: Die EU-Kommission straft den US-Konzern ab – wegen Missbrauch bei der Internet-Suche. Die eigentliche Kraftprobe mit dem Internetriesen kommt aber erst noch

Von Brüssel Eric Bonse

Dieses Verfahren dürfte in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Wegen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung hat die EU-Kommission eine Rekordstrafe in Höhe von 2,42 Milliarden Euro gegen den Internetriesen Google verhängt. Zugleich wurde der US-Konzern verdonnert, die umstrittene Shoppingsuche zu verändern.

„Die heutige Entscheidung ist ein Präzedenzfall“, sagte die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager. Es gehe nicht nur um die Produktsuche, sondern auch um andere Google-Dienste wie Bilder oder Reisen. Ein Sprecher des US-Konzerns zeigte sich überrascht. Die Google-Suche komme allen Anbietern und Kunden zugute, sagte er. Die Argumentation der Kommission sei faktisch, rechtlich und wirtschaftlich falsch.

Ob Google gegen die EU-Entscheidung in Berufung gehen wird, ist noch offen. Klar ist, dass ungewöhnlich viel auf dem Spiel steht. Hinter die EU-Kommission haben sich nicht nur Verbraucherschützer und europäische Anbieter, sondern auch US-Unternehmen wie News Corp, Getty Images und Oracle gestellt. In einem offenen Brief forderten sie die US-Behörden auf, ebenfalls gegen das „wettbewerbsfeindliche Verhalten“ von Google vorzugehen.

Gleichzeitig sitzen Google andere erfolgreiche Shopping-Portale wie Amazon oder Ebay im Nacken. Seit 2008 habe der Konzern seine Strategie geändert und seine eigene Shoppingseite bei der Internetsuche systematisch bevorzugt, klagt die EU-Kommission. Konkurrierende Vergleichsportale würden bei den Suchergebnissen weit nach hinten geschoben. In der Regel erschienen sie erst auf der vierten Seite.

Das US-Unternehmen sieht das völlig anders. „Wenn man online einkauft, will man die Produkte, die man sucht, schnell und einfach finden“, erwiderte ein Sprecher. Die mit Fotos und Details „verbesserten“ Suchergebnisse erleichterten Nutzern die Auswahl und den Kontakt zu Händlern. „Das ist keine Bevorteilung, sondern wir hören unseren Kunden zu“, heißt es in einem Blogeintrag.

Google hat nun 90 Tage Zeit für Änderungen – ansonsten drohen weitere Strafen von bis zu 5 Prozent des Tagesumsatzes des Mutterkonzerns Alphabet. Die Mutter erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von gut 90 Milliarden Dollar. Eine Strafe von 5 Prozent der Tageserlöse liefe damit auf rund 12,3 Millionen Dollar – aktuell rund 11 Millionen Euro – täglich hinaus.

Allerdings ist unklar, welche Änderungen Google vornehmen muss, um die EU zufriedenzustellen. Der Internetgigant wird kaum bereit sein, seine geheimen Suchalgorithmen zu ändern. Auch gegen einen Umbau seiner Shoppingseite dürfte sich Google sperren.

Entscheidend ist die Frage, ob die EU den Konzern in die Knie zwingen kann

Mit ihrem Vorgehen riskiere Vestager ein „chaotisches Endspiel“, schreibt der Brüsseler Insiderdienst Politico. Entscheidend sei nicht die Strafe, sondern die Frage, ob es die EU schafft, den mächtigen Konzern in die Knie zu zwingen.

Der Streit ums Shopping ist dabei nur Teil einer größeren Attacke. In einem weiteren EU-Verfahren geht es um das führende Smartphonebetriebssystem Android. Im Jahr 2016 hat die Kommission zudem das Google-Geschäft mit der Suchmaschinenwerbung ins Visier genommen. Dabei geht es um den Dienst „AdSense for Search“, bei dem andere Websites Google-Suchmasken einbinden können. Nach Ansicht von Vestager ist Googles Verhalten in beiden Fällen illegal.

Rückendeckung erhält die streitlustige Kommissarin aus dem Europaparlament. Allerdings wurde auch Kritik an den langwierigen Wettbewerbsverfahren der Brüsseler Behörde laut. Das europäische Kartellrecht müsse endlich an die digitale Revolution angepasst werden, fordert der FDP-Politiker Michael Theurer. „Fünf der zehn ‚wertvollsten‘ Konzerne der Welt sind Plattformen, darunter Facebook und Amazon, und keine davon stammt aus Europa“, beklagt er.

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