Überm Gipfel rauchen die Schlote

UMWELT Auf der Gipfel-Agenda steht auch der Kampf gegen den Klimawandel. Doch der skeptische US-Präsident Trump braucht nur nach draußen zu zeigen, wo das Kohlekraftwerk Moorburg qualmt, um seinen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen

Stößt im Vollbetrieb rund 8 Millionen Tonnen CO2 im Jahr aus: das Hamburger Kohlekraftwerk Moorburg Foto: Bodo Marks/dpa

Aus Hamburg Gernot Knödler

Wenn die Gipfel-TeilnehmerInnen in ihren Flugzeugen über Hamburg fliegen, können sie direkt eins der Probleme sehen, über das beim Gipfel gesprochen wird: Die zwei großen qualmenden Schornsteine des Kohlekraftwerks Moorburg zeigen, dass die „Dekarbonisierung“ auch für das selbst ernannte Klima-Vorbild Deutschland noch eine große Herausforderung ist. Das 1.600-Megawatt-Kraftwerk an der Elbe ist erst seit zwei Jahren in Betrieb.

Positiv gewendet ist dieses Kraftwerk ein Beispiel dafür, was sich in der Energiepolitik in jüngerer Zeit getan hat. Vor mehr als zehn Jahren geplant, würde dieses Kraftwerk, wie selbst die Betreiberin Vattenfall einräumt, heute so nicht mehr gebaut. Wegen des Vorrangs erneuerbarer Energie im Strommarkt und der niedrigen Strompreise rechnet es sich nicht.

Dabei klang die Idee für das Kraftwerk 2004 gar nicht mal so blöd: Hamburg ist auch ein Industriestandort und hat mit einem Stahl-, einem Aluminiumwerk und einer Kupferhütte sehr große Stromverbraucher. In die Jahre gekommene Gas- und ein Kohlekraftwerk mussten ersetzt werden, und nach dem vom Bundestag beschlossenen Atomausstieg schien Kohle ein notwendiger Teil eines zukünftigen Energiemixes zu sein.

Ähnlich wie die Kohle-Befürworter in manchen G20-Staaten auch heute noch, argumentierte Vattenfall seinerzeit, dass das neue Kraftwerk mit einem elektrischen Wirkungsgrad von 46,5 Prozent viel effizienter sein würde als seine Vorgänger. Der damalige CDU-Senat war so begeistert, dass er vorschlug, das Kraftwerk doppelt so groß zu bauen wie von Vattenfall avisiert, und dass es zudem Fernwärme liefern sollte, um Hamburger Haushalte zu versorgen.

Doch Umweltverbände liefen Sturm gegen die „Dreckschleuder“ und rechneten vor, wie sich die Klimabilanz Hamburgs mit dem Kraftwerk verschlechtern würde. Im Verein im Bürgerinitiativen mobilisierten sie gegen die geplante Fernwärmeleitung unter der Elbe und durch einen Park im Stadtteil Altona. Wochenlang wurden Bäume besetzt. Am Ende war die Leitung und mit ihr im Wesentlichen die Fernwärmeauskoppelung tot.

Nicht so das Kraftwerk: 2008 sah sich die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk genötigt, das Kraftwerk nach wasserrechtlichen Vorschriften zu genehmigen. Hajduk verließ sich auf einen entsprechenden Hinweisbeschluss des Verwaltungsgerichts und wollte Schadenersatzklagen von Vattenfall vermeiden.

Ironischerweise ist die ursprüngliche Rechtsposition der Behörde kürzlich im Hauptverfahren bestätigt worden: Wenn das Kraftwerk zur Kühlung laufend große Mengen Wassers aus der Elbe leitet, gefährdet das Fischarten, die an der Unterelbe so selten sind, dass der Verlust einzelner Exemplare aus Sicht des europäischen Naturschutzes fatal wäre. Dass Vattenfall zum Ausgleich für die Fischverluste am oberhalb Hamburgs gelegenen Stauwehr Geesthacht eine hochmoderne Fischtreppe gebaut hat, zählt nicht – obwohl die Treppe mehr Fischen als bisher den Aufstieg zu ihren Laichgebieten ermöglicht. Jetzt soll Vattenfall einen für heiße und wasserarme Tage gebauten Kühlturm ganzjährig betreiben. Das senkt die Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks um eine weiteres Stück.

Zur von der G20 geplanten „Dekar­bonisierung“ passt Moorburg kaum

Der Kampf darum, ob nicht doch Fernwärme aus dem Steinkohlekraftwerk ausgekoppelt wird, ist in vollem Gange. 2013 haben die HamburgerInnen beschlossen, die Versorgungsnetze für Gas, Strom und Fernwärme wieder in die öffentliche Hand zu bringen. Der Beschluss spricht sich für eine „sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuer­baren Energien“ aus.

Eines von zwei Szenarien der grün geführten Umweltbehörde für die künftige Fernwärmeversorgung sieht eine Leitung unter der Elbe vor. Sie soll die Wärme einer Müllverbrennungsanlage in die Stadt transportieren. Der Hamburger Energietisch, der die Umsetzung des Volksentscheids überwacht, befürchtet, hiermit könnte die Voraussetzung für eine Durchleitung der Moorburger Wärme geschaffen werden.

Aus globalisierungskritischer Perspektive sehen die Umweltverbände BUND und Nabu noch eine weitere Gefahr. Der Vattenfall-Konzern bezieht Steinkohle aus Kolumbien, wo es nach Angaben des katholischen Hilfswerks Misereor im Zusammenhang mit dem Bergbau in vielen Fällen zu Vertreibungen und Morden gekommen ist. Das Engagement folge dem Gedanken, „dass wir im positiven Sinn zu einem Wandel beitragen können, indem wir mit den Betroffenen sprechen und aktiv mit unseren Lieferanten zusammenarbeiten“, wie es in Vattenfalls Nachhaltigkeitsbericht heißt.

Mit Blick auf das Kraftwerk Moorburg versichert Vattenfall-Sprecherin Kristina Hillmer: „Wir hatten noch nie Kohle aus Kolumbien.“