Rechtsextreme Gewalt nimmt zu

Verfassungsschutz Mit Reichsbürgern und Identitärer Bewegung tauchen zwei rechtsextreme Gruppierungen neu im Jahresbericht des Inlandsgeheimdienstes auf. Zahl gewaltbereiter Neonazis steigt auf über 12.000

Im Visier des Verfassungsschutzes: Anhänger der Identitären bei einer Demonstration im Juni in Berlin Foto: Michael Trammer/imago

AUS BERLIN Konrad Litschkound Sabine am Orde

Über mangelnde Arbeit kann Hans-Georg Maaßen nicht klagen. „Beim Verfassungsschutz boomt es in allen Geschäftsfeldern“, sagte der Behördenchef, als er am Dienstag gemeinsam mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den neuen Verfassungsschutzbericht vorstellte. Und schob hinterher: Anders als einem Manager gefalle ihm als Verfassungsschutzchef dieser Zustand ganz und gar nicht.

Neben dem gewaltbereiten Islamismus, der derzeit die Haupt­herausforderung für Maaßens Behörde darstellt (siehe unten),boomt auch der Rechtsextremismus. Im Bericht tauchen mit den Reichsbürgern und der Identitären Bewegung (IB) zwei neue Gruppen erstmals auf. Die Reichsbürger, die aus unterschiedlichsten Gründen die Existenz der Bundesrepublik anzweifeln, hat der Verfassungsschutz seit Oktober 2016 im Blick, als im bayrischen Georgensgmünd einer ihrer Anhänger einen Polizisten erschoss.

Rund 12.800 Personen rechne die Behörde inzwischen der Szene zu, sagte der Bundesinnenminister. Davon seien 800 offen rechtsextrem. Zudem gebe es dort eine große Affinität zu Waffen und Gewalt. Ende letzten Jahres verfügten nach einer vorläufigen Einschätzung 700 Reichsbürger über Waffenerlaubnisse. Etwa 100 wurden inzwischen entzogen. Im Bericht heißt es zudem, das „Gefährdungspotential“ der Reichsbürger sei „sichtlich gestiegen“. Ein Grund dafür: die „verschärfte politik- und staatsfeindliche Agitation“. In sozialen Netzwerken häuften sich Widerstandsaufrufe, viele Reichsbürger sähen sich einer „Notwehrlage“.

Neu unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen auch die Identitären. Einige der zumeist jungen völkischen Aktivisten pflegten Kontakte zur offen rechtsextremistischen Szene, andere kämen von dort, heißt es im Bericht. Die Gruppe selbst lege eine „zunehmende islamfeindliche Agitation“ an den Tag, einige Mitglieder hätten sich zuletzt radikalisiert. Die Anzahl gewaltbereiter Neonazis stieg im vergangenen Jahr auf 12.100, das ist der höchste Stand, seit diese Zahl statistisch erfasst wird. Auch die Zahl rechter Gewalttaten kletterte von 1.408 auf 1.600. Vor allem in der Flüchtlingsdebatte finde eine „deutliche Radikalisierung in Inhalt und Diktion“ statt, heißt es im Bericht. Die Hemmschwelle zur Gewalt gegen Asylbewerber sinke weiter, Politiker würden verächtlich gemacht. Der Bericht spricht auch von einer „virulenten Gefahr rechtsterroristischer Potenziale“. Zwar habe man neben der Old School Society, der Bamberger Zelle und der Freitaler Gruppe keine Hinweise auf weitere rechtsterroristische Vereinigungen, so Maaßen. Er könne aber auch nicht ausschließen, dass es sie gibt.

„Der Verfassungsschutz boomt in allen Geschäftsfeldern“

Hans-Georg Maaßen

Anders als die rechts­extrem motivierten Straf- und Gewalttaten nahmen die aus dem linksextremen Spektrum ab. Allerdings gab es laut Verfassungsschutz mit 28.500 so viele Linksextremisten wie nie zuvor.

Innenminister de Maizière warnte zudem vor möglichen Cyberattacken. So rechne er damit, dass Russland versuche, die Bundestagswahl zu beeinflussen. Solche Versuche habe es bei den Wahlen in den USA und in Frankreich gegeben. „Es spricht alles dafür, dass das aus Russland stammt“, so de Mai­zière. Bei einem Hackerangriff auf den Bundestag 2015 seien weitreichend Informationen abgeschöpft, aber noch nicht veröffentlicht worden: „Innerlich rechne ich damit, dass das in den nächsten Wochen teilweise veröffentlicht wird.“