Der Aufbruch ist schon vorbei

Fragen Myanmars Journalisten können Politikern nicht auf den Zahn fühlen

„Myanmars Politiker mögen es immer noch nicht, wenn wir ihnen Fragen stellen“

Shwe Nwe, Fernsehmoderatorin

Von Grace Thu

Verfügen Myanmars politische Parteien und Kandidaten über politische Programme? Und können Politiker überhaupt dazu befragt werden?

„Als Fernsehmoderatorin, die eine aktuelle politische Sendung leitet, muss ich doch das Recht und die Möglichkeit haben, wichtigen Politikern und Regierungsvertretern alle nötigen Fragen zu stellen. Wir sind schließlich nicht ihr Sprachrohr!“, sagt Shwe Nwe. Die Mitarbeiterin des staatlichen Fernsehsenders MRTV (Myanmar Radio and Television) wirkt lebhaft und ernst zugleich, als ich sie im Aufnahmestudio besuche.

Shwe Nwe trägt eine korallenrote Bluse, an diesem Tag hat sie gerade einen bekannten Politiker des Landes interviewt. Es ist unsere erste Begegnung seit längerer Zeit, und sie hat sich sichtbar verändert: Ihre Bewegungen, ihre Art, Fragen zu stellen, sind selbstbewusster geworden.

Vor drei Jahren war das noch anders: Damals konnte sie den führenden Politikern „nur das Mikrofon vor den Mund halten. Ich durfte ihnen keinen Fragen stellen, und sie erzählten, was immer ihnen einfiel, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu gewinnen“, sagt sie. „Ich erinnere mich an diese langatmigen Gespräche. Sie redeten oft mehr als eine halbe Stunde lang, und mir tat die Hand weh, weil ich die ganze Zeit das Mikrofon halten musste.“

MRTV gehört immer noch der Regierung und untersteht dem Informationsministerium. Viele Leute glauben, dass der Sender bis heute so arbeitet wie früher. Es gab eine Zeit unter dem Militärregime, als MRTV nur Bulletins der Ministerien verlesen durfte. Die Kollegen des Senders taten damals nichts anderes als darauf zu warten, dass wieder ein Fax von einem der Ministerien aus der Maschine kam. Und die Nachrichtensprecher verlasen diese Informationen, die voller Parolen waren: Minister Soundso besucht die Eröffnungszeremonie eines Staudamms, ein anderer Minister hat dem Kloster XYZ eine Spende überreicht und so weiter und so fort.

Doch Shwe Nwes Arbeitsbedingungen haben sich geändert, seitdem MRTV versucht, sich zu einem Sender im Dienste der Öffentlichkeit zu wandeln – parallel zu den demokratischen Reformen im Land. Seitdem hat der Sender begonnen, Nachrichten zu sammeln und zu verbreiten, die für die Bevölkerung wichtig sind, und sich für deren Interessen einzusetzen.

Shwe Nwes aktuelles Nachrichtenprogramm startete vor drei Jahren. Die Sendungen wirkten wie eine frische Brise im MRTV: Die Moderatorin konnte einflussreichen Politikern nun harte Fragen stellen und sie unterbrechen, wenn sie sich vor einer klaren Antwort drückten.

„Damals bekam ich Briefe von den Zuschauern, die ihren Augen und Ohren nicht trauten und nicht zu glauben wagten, dass MRTV so etwas sendete. Ich war so glücklich“, erinnert sich die Journalistin und lächelt stolz.

Das war noch vor den Wahlen von 2015. Die Tatsache, dass der Sender damals der militärnahen Regierungspartei USDP unterstand, hinderte sie nicht daran, Politikern scharfe Fragen zu stellen. Aber diese großartige Zeit hielt nicht lange an.

Die Aufbruchsstimmung erhielt einen Dämpfer, als die Wahlen im November jenes Jahres näher rückten. Nun erlaubten es ihre Vorgesetzten nicht mehr, führende Persönlichkeiten der politischen Parteien vors Mikrofon zu holen und scharf zu befragen. Stattdessen erhielten die Politiker die Gelegenheit, 15 Minuten lang zu sagen, was sie wollten – also Wahlkampfpropaganda zu machen.

„Die Politiker in Myanmar mögen es immer noch nicht, wenn wir ihnen Fragen stellen,“ sagt Shwe Nwe.

Und heute? Heute lässt sich über die politischen Sendungen in unseren Medien sagen, dass sie die Situation im Lande widerspiegeln: Keine Partei will sich von Journalisten scharf befragen lassen. Jede will ihre eigene Show machen, ganz allein. In ihren Sendungen sagen alle Parteien dann dasselbe: Es ist Zeit für einen Wandel!