Die lateinamerikanischen G-20-Staaten: Angst vor Trump

Was erwarten, was befürchten sie? – Perspektiven aus Buenos Aires, Brasilia und Mexiko vor dem Gipfel.

Angela Merkel und Mauricio Macri trinken Wein

Deutsch-argentinische Freundschaft in Buenos Aires Foto: dpa

Was sich die drei lateinamerikanischen G-20-Mitglieder vom Gipfel erwarten, berichten die Korrespondenten der taz.

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Argentinien

Wenn Argentiniens Präsident Mauricio Macri über den G20 spricht, dann geht es immer um Logistik und Sicherheit. 2018 wird der Gipfel in Buenos Aires stattfinden. Jenen G20 dann organisatorisch und, angesichts der zunehmenden Terrorakte, sicher zu stemmen, ist dem Konservativen auf dem Präsidentensessel weit wichtiger, als die Themen, die dabei verhandelt werden könnten.

Diesen Eindruck wird auch Angela Merkel bei ihren Kurzbesuch in Buenos Aires am 8. Juni gewonnen haben. Während die Kanzlerin von der thematischen Übergabe des G20-Staffelstabs sprach, sinnierte der Präsident über die gewaltige organisatorischen Herausforderung.

Für die gut vernetzten sozialen Organisationen des Landes war das ferne Ereignis in Hamburg bislang noch kein Anlass zu Kritik oder Protesten. Einen Vorgeschmack darauf, was im kommenden Jahr zu erwarten ist, dürfte der Dezember geben: Dann findet in Buenos Aires das Ministertreffen der Welthandelsorganisation WTO statt. Das dürfte der Probelauf für die Regierung und die kritische Bewegung vor dem G20 im kommenden Jahr werden. Jürgen Vogt

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Brasilien

Im Gegensatz zu früher ist der G-20-Gipfel in der brasilianischen Öffentlichkeit heute kein großes Thema mehr. Vor neun Jahren stand das größte Land Lateinamerikas Pate, als das G-20-Treffen zu einem Stelldichein für Staatsoberhäupter aufgewertet wurden. Unter dem damaligen Präsidenten Lula da Silva wurde das Land zum Global Player. An der Seite Indiens forderte es mehr Mitspracherecht auf der Weltbühne.

Der umstrittene Präsident Michel Temer wollte mit dem Gipfel in Hamburg bestenfalls eigennützige Interessen verfolgen: Sein durch Korruptionsskandale angeschlagenes Image aufzupolieren. Allerdings musste er kurzfristig seinen Besuch absagen: Die Generalstaatsanwaltschaft hat gegen ihn Klage vor dem Obersten Gerichtshof in Brasilia eingereicht.

Am 7. und 8. Juli wollen sich die Regierungschefs der 20 mächtigsten Industrie- und Schwellenländer in den Messehallen und in der Elbphilharmonie treffen. Darunter US-Präsident Donald Trump, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan.

Mit einer Protestwelle beginnen die G20-Demonstrationen am 2. Juli, zu denen Organisationen wie Campact, Greenpeace und DGB aufrufen. Darunter wollen sich auch militante GipfelgegnerInnen mischen.

Die Polizei erwartet in der Protestwoche Aktionen des zivilen Ungehorsams, Blockaden, Demos und Krawalle, sodass eine Gefangenensammelstelle mit 400 Plätzen in Harburg eingerichtet wird.

Der Ex-Frauenknast Hahnöfersand ist zudem als Untersuchungsgefängnis mit 100 Plätzen umgebaut worden.

„Unter Temer hat Brasilien jede internationale Relevanz eingebüßt“, sagt der Ökonom Adhemar Mineiro von der NGO-Plattform Rebrip. Statt Inhalte zu vertreten wollte Temer das Forum nutzen, um den Ruf eines internationalen Parias zu überwinden, fürchtete er.

Brasiliens G-20-Botschafter Carlos Márcio Cozendey hofft angesichts der schweren Wirtschaftskrise im Land auf neue Impulse im Kampf gegen Arbeitslosigkeit, zum Beispiel in der Arbeitsgruppe zu digitaler Ökonomie. Ansonsten setzt er auf den Schulterschluss mit Europa: „Wir plädieren für eine Stärkung multilateraler Handelsabkommen und die Festigung des Pariser Klimavertrags.“

Das NGO-Netzwerk Rebrip hingegen hält die G 20 für illegitim. Einige der über 50 Mitgliedsorganisationen beteiligen sich aber am Alternativgipfel und an den Protesten. Die Länder des Südens seien in der Gruppe unterrepräsentiert, moniert Adhemar Mineiro. Zudem blieben „die Bedürfnisse der Menschen außen vor“, kritisiert der Wirtschaftsexperte.

Das Fragezeichen, dass US-Präsident Donald Trump hinter das Freihandelsdogma setzt, sollte die Zivilgesellschaft zum Anlass nehmen, Alternativen in dieser festgefahrenen Debatte zu entwickeln, sagt Mineiro. Statt sich auf die Interessen von transnationalen Konzernen zu fixieren, „müssen gerechte Handelsstrukturen erdacht werden.“ Statt die Märkte weiter zu öffnen sei es nötig, sie zum Schutz der Schwächeren stärker zu regulieren. Andreas Behn

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Mexiko

Offene Märkte, freier Handel und mehr Klimaschutz – angesichts der Drohungen des dominanten Nachbarn im Norden lässt die mexikanische Regierung keinen Zweifel daran, welche Ziele es auf dem G20-Treffen in Hamburg zu verteidigen gilt.

Immer wieder hat Trump die Wiedereinführungen von Zöllen für mexikanische Importe gefordert, um, wie er glaubt, die heimische Industrie zu schützen. Sollte er sich damit durchsetzen, würde das die Wirtschaft südlich des Rio Bravo schwer treffen. Schließlich zählt der freie Handel mit den USA neben den niedrigen Löhnen zu Mexikos wichtigsten Standortvorteilen.

In zahlreichen Fabriken mexikanischer und internationaler Unternehmen werden Kleider, Elektrogeräte und Autos für den US-Markt hergestellt. Hier treffen sich die europäischen und mexikanische Interessen für den G20-Gipfel. Denn viele Konzerne aus der alten Welt haben in Mexiko investiert. Noch vor Trumps Ankündigungen bauten dort zum Beispiel deutsche Autofirmen wie BMW, Mercedes-Benz und Audi neue Werke gebaut. Die Wagen sollen auch auf US-Highways rollen.

Also waren sich Staatschef Enrique Peña Nieto und Angela Merkel einig, als die Kanzlerin ihren Kollegen Mitte Juni in Mexiko-Stadt besuchte: In Hamburg gilt es, gemeinsam gegen Trump zu stehen: für freien Handel und die Pariser Klimaverträge.

Kritischer sehen das Organisationen der mexikanischen Zivilgesellschaft. Sie verweisen auf die Folgen von Freihandelsabkommen, die das Land auch mit der EU abgeschlossen hat: auf den Ausverkauf der Rohstoffe, die skrupellose Ausbeutung von Arbeitskräften, die Zerstörung traditioneller Ökonomien und die gewaltsamen Konflikte, die durch Megaprojekte internationaler Investoren geschürt werden. Im Rahmen des Merkel-Besuches forderten 129 NGOs anstatt einer liberalisierten Wirtschaft ein „Globalabkommen für die Respektierung der Menschenrechte“. Wolf-Dieter Vogel

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