„Welcome to Heaven“

Kirchenkritik Gewaltverzicht predigen und Protestlern Unterschlupf währen, das ist für Hamburger Kirchen kein Widerspruch. Dafür müssen sie sich heftig kritisieren lassen

Im Schatten der Kirche: Rund um Gotteshäuser, wie hier die St. Johannis Kirche in Altona, durften G20-GegnerInnen Zelte aufschlagen Foto: Miguel Ferraz

von Andreas Speit

Im Garten der St. Pauli Kirche flattert zwischen zwei Bäumen ein Transparent. „Welcome to Heaven“ steht auf dem Stoff in bunten Lettern. Im Schatten der Kirche campten G20-Gegner während des Gipfels. Kleine und größere Zelte standen eng beieinander, auf den Rasen saßen die Demonstranten, redeten und erholten sich. Morgens winkten sie den Kindern zu, die in die gegenüberliegende Kindertagesstätte gebracht wurden.

Mit dem Zulassen des Campens hätten Hamburgs Kirchengemeinden „potentiellem Gewalttäter“ Schutz geboten, „als gelte es Verfolgten eines Regimes Schutz zu gewähren“, schreibt die FAZ am 9. Juli. Die AfD-Bürgerschaftsfraktion rügte per Presseerklärung die „unrühmliche Rolle der Kirchenvertreter“.

Kritik wischt Pastor Sieghard Wilms nicht einfach weg. Austauschen, im Gespräch bleiben, erklären, für den Pastor der Kirchen für Schanze, Karo und Kiez die Basis des gesellschaftlichen Lebens. Vom 7. bis 8. Juli hatte die Gemeinde nahe der Hafenstraße aber nicht einfach Tür und Tor geöffnet. „Das ist eine falsche Beschreibung der Hergänge“, betont Wilms. Zunächst gab es eine Anfrage aus der Hafenstraße. „Wir saßen ja im Auge des Orkans“ sagt Wilms, „da haben Sie nur die Möglichkeit, die Entwicklungen geschehen zu lassen oder zu gestalten.“

Die Gemeinde wollte gestalten. 40 Personen erlaubten sie zu zelten. Mit ihnen sei zuvor gesprochen wurden. Gehandelt aus Nächstenliebe? „Wir waren einfach gastfreundlich und unterstellten ihnen, friedliche Demonstranten zu sein“, sagt Wilms. Die Gespräche hatten diese Annahme bestätigt. Sie wurden aber auch geduldet, sagt der Pastor der evangelischen Gemeinde, weil „wir die Anliegen der Proteste auch teilen“.

Im Kirchengarten hatte die Gemeinde von Dienstag bis Samstag zu einem „nachbarschaftlichen Picknick“ eingeladen, um anlässlich des G20-Gipfels zusammen zu kommen und über Frieden und Gerechtigkeit zu reden. Unter dem Motto „Alle an einem Tisch“ wurde am frühen Abend eine Tischreihe aufgebaut, die sich mit mitgebrachtem Essen der Anwohner schnell fühlte. Der Tisch war auch gedeckt, als auf der Hafenstraße am vergangenen Donnerstag die Polizei die Demonstration „Wellcome to hell“ stoppte. Der Park war da wirklich mitten im „Orkan“. Denn vom Pinnasberg, wo die Kirche steht, bis zum Fischmarkt sind es nur wenige Meter.

Das politische Milieurechts von der Union beklagt seit Jahrzehnten einen Linkstrend der evangelischen Kirchen.

Die Nächstenliebefür Geflüchtete, die Akzeptanz vom Homoehen geht ihnen zu weit.

Die AfDhält schon längerem der evangelischen Kirche und katholischen Pfarreien vor, das Kirchenasyl zu missbrauchen, um Geflüchtete vor Abschiebungen zu schützen.

Vom St. Pauli-Gemeindegarten braucht man nur knapp zehn Minuten zu Fuß zur St. Trinitatis Kirche. Auch die dortige Gemeinde duldete Anti-G20-Camper. 350 Personen kamen, sagt Torsten Morche, Pastor der Hauptkirche Altona. Im Kirchengemeinderat gab es auch Widerspruch. Nicht alle waren für ein Camp. Morche hatte sich durchgesetzt und die Rolle der Kirche in der DDR als Zufluchtsort angemahnt. Der Gemeinderat entschied, sie würden niemanden herbeirufen, aber wenn Menschen kommen, seien sie auf den Wiesen willkommen. „Bei uns waren sehr friedliche Menschen“, sagt Morche.

An der Kirchenmauer klebten Zettel „No violence. Keine Gewalt“ und „Benehmt Euch!“. Alle Demonstranten, mit denen er sprach, waren gegen Gewalt: „Mit Politik“ hätten die Ausschreitungen nichts gemein. Morche sagt weiter, dass durch das rüde Auftreten der Polizei auf Entenwerder eine „Kata­stro­phe“ „mit Ansage“ war. Ihm wäre da schon klar gewesen, dass die Menschen Schlafgelegenheiten bräuchten.

Beide Gemeinden hatten sich zu den Camps mit der Polizei abgesprochen. Die Grenze der Duldung war klar benannt: keine Gewalt.