Die Finanzkrise soll sich einfach verwachsen

Finanzmärkte Als Erfolg wird schon verbucht, dass bisherige Regeln nicht gekippt werden müssen

Die Finanzmärkte sind der Gründungsmythos der G20, das erste Treffen der Staatschefs fand 2008 als Reaktion auf die damalige Krise statt. Doch viel passiert ist zu dem Thema in Hamburg nicht. Die großen Reformen sind längst durch. Auch die Öffentlichkeit misst dem Thema, ob Banken, Versicherer und Investmentgesellschaften mittlerweile eigentlich so weit reguliert sind, dass sie keine weltweiten Wirtschaftskrisen wie 2008 auslösen, kaum mehr Aufmerksamkeit bei.

Trotzdem könnte man die Ergebnisse in Hamburg als Minierfolg werten. Die US-Regierung hat die neuen globalen Finanzmarktregeln immerhin nicht über den Haufen geworfen. Dazu zählt, dass Großbanken größere Kapitalpuffer für Krisen vorhalten müssen oder Pläne entwickeln müssen, wie sie im Fall einer Pleite erst ihre Anleger und Anteileigner zahlen lassen und dann nach Steuergeldern rufen. Die Regeln dazu macht der Finanzstabilitätsrat in Basel. Momentan arbeitet der Rat daran, wie Schattenbanken besser kontrolliert werden, also etwa billionenschwere Investmentfonds. Oder wie verhindert wird, dass Geschäfte außerhalb üblicher Wertpapierbörsen aus dem Ruder laufen.

Die USA sind also noch dabei, aber angesichts der sonstigen Probleme ist das viel zu wenig. Eigentlich ist einer der großen Fragen unserer Zeit, wie Investoren ihre Gelder aus Öl, Gas und Kohle abziehen und in klimafreundliche Anlagen stecken können. Die G20 hatten dazu im vergangenen Jahr in China Arbeitsgruppen wie die Green Finance Study Group eingerichtet, die Ideen erarbeiten sollte, wie grüne Geldanlagen endlich im Finanz-Mainstream ankommen können. Auch die großen Finanzinstitute arbeiten seitdem mit. Die haben in einer Arbeitsgruppe unter der Leitung der Börsenlegende Warren Buffett Ideen erarbeitet, wie die Bilanzierungsregeln für Unternehmen international geändert werden könnten, damit Investoren sehen, wer wie viel Geld in fossilen Energien stecken hat.

Anders ausgedrückt: Die Sprache der Märkte ist es, Risiken gegen Gewinnerwartungen abzuwägen. Wird Klimawandel zum finanziellen Risiko, sorgen die Märkte dafür, dass das Problem verschwindet. Ob diese Erzählung vom grünen Kapitalismus klappt, weiß freilich keiner. Die Arbeit um den Milliardär Warren Buffett und die der Green Finance Study Group ist jedenfalls erst mal degradiert worden – im Abschlusskommuniqué tauchen sie nicht mehr auf, sondern nur noch im „Hamburg Action Plan“, ein Zusatzpapier. Mehr war mit Trump nicht zu machen.

Geradezu putzig ist der Umstand, dass die G20-Staaten sehr viel Energie dazu aufwenden, die letzten Details für die Finanzmarktregulierung auszuformulieren, während ihre Notenbanken eben diese Märkte mit viel zu viel Geld überschwemmen. Dass das zu noch größeren Finanzblasen führen kann als 2008, scheint zumindest einigen Beteiligten bewusst, man liest es verteilt in den Dokumenten des Gipfels – da ist zumindest an einigen Stellen von möglichen neuen „Schocks“ die Rede.

Die G20-Strategie gegen die neuen Finanzblasen ist, dass die Risiken aus dem System rauswachsen sollen: Die Staaten setzen auf einen „positiven Kreislauf aus großer Widerstandsfähigkeit [der Wirtschaft, die Red.] und starkem Wirtschaftswachstum.“ Wachstum führt zu Widerstandsfähigkeit und das dann wieder zu Wachstum, heißt es weiter im „Hamburg Action Plan“. Und immer so weiter. Die nächste Finanzkrise soll also gefälligst so lange auf sich warten lassen, bis die internationale Wirtschaft genug Widerstandsfähigkeit gegen sie entwickelt hat. Ingo Arzt