Halbe Stunde zur Notaufnahme

MEDIZIN Das Martin-Luther-Krankenhaus in Zeven hat seine Notaufnahme geschlossen. Grund dafür ist die Schwierigkeit, Personal für die kleine Klinik zu gewinnen – ein strukturelles Problem der Krankenhaus-Landschaft

Leerer Flur: Am Freitag wurde die Notaufnahme der Klinik im niedersächsischen Zeven geschlossen Foto: Holger Hollemann/dpa

von Gernot Knödler

Der Landkreis Rotenburg/Wümme hat sehr für den Erhalt des Martin-Luther-Krankenhauses in Zeven gekämpft – umso größer war der Schock, als am Freitag plötzlich die Notaufnahme der Klinik geschlossen wurde. Wer sich nicht bloß mal eben verbinden lassen will, muss nach Bremervörde oder Rotenburg gefahren werden. Das sind mehr als 25 Kilometer. „Ich bin sehr erstaunt, dass es plötzlich zu so einer Entwicklung kommt“, sagt der Mehrheitsführer im Kreistag, Marco Prietz von der CDU. „Von der Kreispolitik her machen wir uns Sorgen“, dass sich so etwas verfestigt.

In Zeven zeigt sich zugespitzt ein Problem, das die gesamte Krankenhauslandschaft betrifft: Der Personalbedarf ist aus einer Reihe von Gründen gestiegen, aber das Personalangebot nicht. Mit den Worten Helge Engelkes, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft: „Die Ausbildungskapazität ist dem wachsenden Bedarf nicht angepasst worden.“

Sven Freytag, Geschäftsführer der Ostemed, die die Kliniken in Zeven und Bremervörde betreibt, sah sich nicht zuletzt deshalb am Donnerstag mit einem „kurzfristigen personellen Engpass“ konfrontiert. Ein Facharzt sei in den Urlaub gegangen, ein Honorararzt, der ihn in dieser Zeit hätte vertreten sollen, konnte nicht gefunden werden. „Ich habe es für unverantwortlich gehalten, die Intensive Care und Notaufnahme mit einem einzigen Facharzt aufrecht zu erhalten“, sagt Freytag. Wie es zu der Fehlplanung kam, müsse jetzt eruiert werden.

Der fehlende Honorararzt war angesichts einer ohnehin schon angespannten Personallage sozusagen der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Wie auch der Landkreis eingesteht, arbeitet Freytag fieberhaft daran, Ersatz zu beschaffen. Einen Honorararzt habe er schon gefunden, sagt dieser. Das reiche aber nicht: „Für mich geht es darum, die personelle Situation zu entschärfen und zwar auf längere Sicht.“

Dass das schwierig wird, ist Freytag klar. „Wir versuchen seit drei Jahren, weitere Fachärzte fest anzustellen“, sagt er. Dass er sie nicht bekommt, liegt zum einen daran, dass es Engelke zufolge für viele finanziell attraktiver ist, als Honorararzt zu arbeiten. Zum anderen liegt es am allgemein wachsenden Bedarf. „Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten steigt“, sagt Engelke von der Krankenhausgesellschaft mit Blick auf die Pflege. Bei den Ärzten werde die Anzahl der Jahre, die sie am Patienten verbrächten, geringer. Viele Ärzte arbeiteten in der Verwaltung oder gönnten sich Familienphasen.

Dazu kommen geänderte Rahmenbedingungen. „Die strukturellen Voraussetzungen sind vom Gesetzgeber immer weiter verschärft worden“, sagt Ostemed-Geschäftsführer Freytag. Es gebe mehr Bürokratie und mehr Regulierung, etwa schärfere Vorschriften dafür, welches speziell qualifizierte Personal wofür in welcher Menge vorgehalten werden müsse. Auch veränderte Arbeitszeitregelungen machten eine höhere Kopfzahl nötig, sagt Engelke.

Doch für eine kleine Klinik auf dem Land wie in Zeven ist das schwierig. „Mit nur noch 80 Betten ist das Krankenhaus als Einheit ganz offensichtlich zu klein, um eine ausreichende Personalversorgung sicherzustellen“, sagt Hanno Kummer vom Verband der Ersatzkassen Niedersachsen. Im Umkreis von 30 Fahrminuten gebe es eine ganze Reihe von Kliniken, darunter die in Rotenburg mit Maximalversorgung. Die Zahl der Betten in Zeven sei infolge mangelnder Auslastung seit 2000 um 46 zurückgegangen Das Zevener Krankenhaus tue sich im Wettbewerb um die Patienten ebenso schwer wie im Wettbewerb um die Ärzte.

Dazu kommt, dass das Martin-Luther-Krankenhaus vor einer ungewissen Umstrukturierung steht und sich mit dem niedersächsischen Sozialministerium vor Gericht über einen „Sicherstellungszuschlag“ für die Jahre 2014 bis 2016 streitet. Dieser soll gewährleisten, das Kliniken die Versorgung auf dem Land sicherstellen können, auch wenn sich das wirtschaftlich nicht lohnt.

Solange der Streit nicht entschieden ist, sind die Perspektiven des Krankenhauses ungewiss.