Wenigsten ein Disc Stabilizer muss einfach sein

HiFi Vinyl in Vollendung hören: Die „Listening Station“ der Analogue Fondation bei Oye Records in Prenzlauer Berg

Dass die Kopfhörer wichtig sind, weiß jeder Foto: Abb.: The Analogue Foundation

Dienstagnachmittag im Plattenladen Oye Records in Prenzlauer Berg. Der Laden brummt. An den zig Plattenspielern, den Anhörstationen, kämpfen sich junge Menschen durch Vinylstapel, als ob es kein Spotify gäbe, und über den Tresen werden Geldscheine für die in letzter Zeit massiv teurer gewordenen Schallplatten gereicht, obwohl Musik heutzutage dank des Internets nichts mehr kosten muss. Vinyl boomt, die neuesten Zahlen bescheinigen der Schallplatte einen Marktanteil am Umsatz mit Musik von inzwischen fünf Prozent, und das ist einiges, wenn man bedenkt, dass er vor ein paar Jahren noch im kaum messbaren Bereich lag.

Warum aber nochmal wird jetzt wieder verstärkt zu diesem alles andere als preiswerten und umständlich zu bedienenden Tonträger gegriffen? Weil es einfach besser klinge, heißt es immer wieder. Für echte Vinyl-Fans ist klar: MP3s sind akustische Umweltverschmutzung, CDs klingen zu kühl und seelenlos, nur die gute alte analoge Schallplatte biete den vollendeten Musikgenuss.

Ob das wirklich stimmt, da gehen die Meinungen weit auseinander. Aber immerhin hat die Diskussion dazu geführt, dass sich überhaupt wieder mit dem Klang von Musik auseinandergesetzt wird. Auch die Hi-Fi-Anlage, die bereits als Relikt der Achtziger vom Laptop verdrängt schien, erlebt vor allem dank des neuen Vinyl-Snobismus ein kleines Comeback.

Wie sehr die Hi-Fi-Industrie darum bemüht ist, ihre Zielgruppe zu verjüngen, zeigt sich auch daran, dass noch bis Samstag ein Superduper-Hi-Fi-System bei OYE Records nicht nur zu bewundern, sondern auch zu benutzen ist. Wenn sich schon die hippen Vinylfans nicht in den Hi-Fi-Laden trauen, in dem einem mit Keith Jarretts „Köln Concert“ die Kraft viel zu teurer Standboxen aus Echtholz demonstriert wird, dann kommt Hi-Fi eben in den hippen Plattenladen.

Die sogenannte Analogue Foundation, hinter der eine japanische Hi-Fi-Edelmarke und ein paar Top-Musikproduzenten als Markenbotschafter stecken, will mit seiner „Listening Station“ das ultimative System für Schallplattenhörer entwickelt haben. Und ob es einem mehr Lebensfreude bringt, anstatt in einen Gebrauchtwagen in einen 5.000 Euro teuren Plattenspieler-Tonabnehmer zur Steigerung des Musikgenusses zu investieren, das kann nun jeder beim Test dieses Wunders der Analog-Technik bei Oye zumindest mal überdenken. Nach einer Tour durch Plattenläden in London, Paris und Amsterdam steht die „Listening Station“ nun in Prenzlauer Berg. Und anstatt Keith Jarrett bei deren Vorführung hören zu müssen, darf ausdrücklich jeder seine eigenen Lieblingsplatten zum Testen mit in den Plattenladen bringen.

Wer sich jedoch denkt, Platten in den Plattenladen zu schleppen sei ähnlich wie das mit den Eulen, die man nach Athen trägt, dem hilft gerne Brian Mitchell von Oye Records weiter. Zielsicher steuert er das „News“-Fach in seinem Laden an und fischt aus ihm das Werk „The Mask of the Imperial Family“ eines gewissen Yasuo Sugibayuski, Ambient-Elektronik aus den frühen Achtzigern, die nun von einem kleinen Nischenlabel neu aufgelegt wurde. Er legt die Platte auf und verkündet, die Musik klinge auf der Spitzenanlage wie in 3-D – „man kommt sich vor, als befände man sich direkt in dem Raum, in dem sie aufgenommen wurde“.

Er legt einen Disc Stabilizer auf das Vinyl, eine Art Gewicht, das angeblich unabdingbar sei für den Plattenhörer mit gehobenen Ansprüchen, weil es „die Tiefen und Höhen der Musik besser zum Ausdruck bringt“ und praktischerweise von derselben japanischen Firma hergestellt wird, die auch die „Listening Station“ verantwortet. Und dann bekommt man Kopfhörer aufgesetzt und hört die tolle Musik dieses Yasuo Sugibayuski und denkt sich erst mal, dass man dessen Platte unbedingt braucht, auch wenn sie daheim vielleicht nicht so klingt wie hier. Was soll man sagen: Ja, toller Sound. Und vielleicht stimmt es ja wirklich: Analog ist besser. Aber wer bitte kann sich wirklich so eine Anlage leisten? Darauf weiß Brian Mitchell auch keine Antwort. Aber so ein Disc Stabilizer, sagt er, muss einfach sein. Andreas Hartmann