Webserie über Modemetropole Kinshasa: Eine nicht endende Performance

Die Serie „Kinshasa Collection“ beleuchtet die Verflechtungen des Textilhandels zwischen der DR Kongo, China und Europa.

Ein Sapeur posiert mit Hut und Brille

Die jüngeren Sapeurs in Kongo entdecken die japanischen Designer Foto: Catherine Trautes/Goethe-Institut/Pong Film Berlin

Man kann den Mangel oder das Begehren an den Anfang stellen. Und fragen, wie der Mangel das Begehren strukturiert und auf was das Begehren sich eigentlich bezieht. Man würde womöglich schnell in eine Verfallsgeschichte geraten, denn wo der Mangel konstitutiv ist, kann er nicht aufgelöst werden, und an die Stelle des einen tritt immer wieder ein weiterer Mangel, es ist eine endlose Geschichte.

Sprechen wir also nur vom Begehren. Von der Oberfläche, dem Körper, der Performance, nicht von seinem Unbewussten. Nehmen wir die Aussage „Ich ist ein Anderer“ als Postulat, als produktiven Wunsch. Mode spielt mit diesem Begehren. Nirgends wird das sichtbarer als bei den postmodernen Helden in den Straßen von Kinshasa oder Brazzaville: den Sapeurs.

Ein Dreiteiler in schrillem Gelb, maßgeschneidert, ein Spazierstock mit Knauf, goldfarben, das Hemd gestärkt, kräftiges Pink, die überdimensionierte Brille eine Versacekopie mit Goldornament, Goldkette, Goldmanschetten, die Schuhe aus Krokodilsleder, die Spitze des Prunk. Dior und Yves Saint Laurent sehen auch in der High­end­kopie aus den Fabriken, wo die echten Diors und Yves Saint Laurents produziert werden, wahnsinnig gut aus. Die jüngeren Sapeurs in Kongo entdecken die japanischen Designer: Yohji Yamamoto zwischen Wellblechhütten. Auf den staubigen Straßen wirkt das Schwarz der Kleidung schnell fahl. Endlich schließen sich auch Frauen der Bewegung an.

Der Sapeur ist ein Dandy und in seiner Maßlosigkeit ist er die Persiflage des Dandys. Der Sapeur eignet sich die Gesten des Herrn an und setzt die Feier der Ironie über die Banalität der Herrschaft.

Identität als Überlebenslüge

Diktator Mobutu Sese Seko will 1971 ein neues Zeitalter der Authentizität und verbietet westliche Kleidung. Die Sapeure setzen die Performance gegen die soziale Klasse und die Maske gegen das identifizierte Ich. Zwei Söhne von Mobutu laufen zu den Sapeurs über. Heute sind sie 30.000. Das Leben mag prekär sein, nichts ist wichtiger als das nächste Flanieren.

Die erste Folge wird am 28. Juli auf www.kinshasa-col­lec­tion.com veröffentlicht. Dann alle 14 Tage. Am 11. August wird die daraus entstandene Modekollektion im Haus der Kulturen der Welt in Berlin gezeigt.

Eine nicht endende Performance. Jene, die immer schon zu glauben wussten, wo die Subjekte ihren Platz einzunehmen haben, werden den Schein und die Maske des Sapeurs als Lüge enttarnen wollen. Aber liegt nicht etwas Ermächtigendes in der Maske? Der Sapeur entlarvt Identität als Überlebenslüge einer jeden normierenden sozialen Ordnung. Er breitet die Kategorien vor dem Betrachter aus, Klasse, Geschlecht, Race, um sie in einem einfachen Tanz ad absurdum zu führen.

Der Web-Episodenfilm „Kinshasa Collection“ erzählt von ihnen und den vielen sich kreuzenden Wegen in der Modemetropole Kinshasa. Doch wie konnte Mode in Kinshasa eigentlich so wichtig werden? Fortsetzung folgt an dieser Stelle.

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