Rütli in Hannover

SCHUL-POLITIK

In Niedersachsen gehen nächste Woche die Ferien zu Ende. Zum Schulstart kündete Bildungsministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) den Einsatz von 20 neuen Sozialarbeitern an. Sie sollen Schulen in sozialen Brennpunkten unterstützen. Um zu gucken, welche Schulen diese brauchen, würden Daten wie Arbeitslosenquote und Migrantenanteil berücksichtigt, aber auch Erkenntnisse der Fachbehörde.

Damit reagiert die SPD-Ministerin auf Hilferufe einzelner Schulen aus dem Frühjahr. Wenn in einer Klasse kaum ein Kind Deutsch spreche und Kinder extrem verhaltensauffällig seien, sei Unterricht kaum möglich, hieß es damals.

Fünf der 20 Stellen gehen voraussichtlich an zwei Stadtteile in Hannover. Die übrigen an Schulen in Salzgitter, Braunschweig, Delmenhorst, Wilhelmshaven, Hildesheim, Lüneburg, Emmer­thal und Quakenbrück. Frauke Heiligenstadt zufolge handelt es sich teilweise um Brennpunkte, die schon seit den 1970ern bestehen. Andernorts gebe es Probleme durch Zuwanderung im Zuge der europäischen Erweiterung.

Die Kritik der Opposition lies nicht auf sich warten. „20 Stellen für 3.000 Schulen sind viel zu wenig“, sagte CDU-Politiker Jörg Hillmer. Dafür eine Pressekonferenz abzuhalten, sei „ein Witz“. Die Landesregierung habe seit 2013 funktionierende Programme abgebaut. Nötig sei Sozialarbeit in allen Schulformen. Es gebe 2.000 Schulen ohne Sozialarbeiter, ergänzte FDP-Politiker Björn Försterling. Die Ministerin wolle jährlich nur 70 neue Stellen schaffen und habe „keine Ahnung, wie es wirklich gerade an den Schulen aussieht“.

Heiligenstadt hält dagegen, die rot-grüne Landesregierung habe schon einiges getan. Allein im vergangen Schuljahr wurde die soziale Arbeit an Schulen von 207 auf fast 700 Vollzeitstellen ausgebaut. Anstoß dafür habe unter anderem die Integration der Flüchtlingskinder gegeben.

Im Frühjahr wandten sich Eltern und Lehrer einer Grundschule in Hannover hilfesuchend an die Behörden. Es entstand ein Forderungskatalog für Brennpunktschulen, den unter anderem Erziehungswissenschaftler Manfred Bönsch unterzeichnete. „Wenn mehr als 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler Ausländer sind, ist Schule im herkömmlichen Sinne kaum noch zu realisieren“, sagte der emeritierte Professor. Notwendig seien weit mehr Personal, kleinere Klassen und alternative Unterrichtsangebote, damit die Kinder erst einmal Deutsch lernen. Auch müssten Brennpunktschulen ein Drittel mehr Lehrer bekommen. „Idealerweise sollten die Lerngruppen auf zehn bis zwölf Kinder verkleinert werden“, forderte Bönsch. Sinnvoll wären Doppelbesetzungen. Mit Personalaufstockung und sinnvollem Konzept habe sich auch die Berliner Rütli-Schule binnen zehn Jahren zu einem Vorzeigeprojekt entwickelt. KAJ