One-Hit-Wonder helfen nicht weiter

Schwimmen Bei der Weltmeisterschaft purzelten die Rekorde, während den Deutschen eine historisch schlechte WM-Bilanz bleibt. Der Ton ist rau geworden, die DOSB-Reform hinterlässt Spuren

Branchenriesin außer Reichweite: Die Schwedin und neue Weltrekordhalterin Sarah Sjöström Foto: reuters

Vor zwölf Monaten war Aliena Schmidtke kurz davor, nach fünf Jahren in den USA in die Heimat zurückzukehren. Der Lebensstil in Deutschland gefalle ihr momentan einfach besser, erläuterte die Schwimmerin ihren Entschluss – von dem sie dann wieder abrückte. Die Gründe dafür erläuterte die 24- Jährige nun in Budapest. „Durch die vielen Veränderungen im deutschen Schwimmsport nach Rio war es ein bisschen riskant, nach Deutschland zurückzukehren.“

Ihre beiden deutschen Rekorde über 50 Meter Schmetterling bei der WM legte sie als Dauerabtrünnige in den Pool. Am Ende blieb die Silbermedaille von Franziska Hentke über 200 Meter Schmetterling das einzige echte Highlight für die 14 deutschen Beckenvertreter. Selbst Henning Lambertz wagte nach der schlechtesten WM-Bilanz aller Zeiten keine andere Deutung, beim Chefbundestrainer und Berufsoptimisten klang das am Sonntag so: „Trotz vieler Stellen, an denen es nicht optimal lief, machen einige Schwimmer Mut für die Zukunft.“ Vergnügungssteuerpflichtig ist der Job des 46-Jährigen schon lange nicht mehr. Nach diversen Querschüssen von Trainerkollegen und der in Ungnade gefallenen Stuttgarterin Vanessa Grimberg probte in der ungarischen Hauptstadt nun der Heidelberger Philip Heintz den Aufstand. Der 26-Jährige wurde auf seiner Spezialstrecke, den 200 Meter Lagen, nur Siebter. In harschem Ton warf er Lambertz anschließend eine falsche und zu spät verkündete Jahresplanung, ständige Systemwechsel und Einmischung in das Training vor Ort vor. Der Ton ist rauer geworden bei den deutschen Bahnenziehern – die Strukturreform des DOSB, die konsequent und ausschließlich auf olympische Medaillen abzielt, hinterlässt tiefe Spuren. Diesen Zwängen unterliegt auch Lambertz, der einen Führungsstil irgendwo zwischen smart und hart praktiziert – und allen Beteiligten für die drei Jahre bis zu den Spielen in Tokio ans Herz legt: „Unsere große Hausaufgabe ist die Wiederholbarkeit von Leistungen.“

Denn One-Hit-Wonder wie die Weltklassezeit von Philip Heintz bei der WM-Qualifikation im Juni helfen auf Dauer nicht weiter. Zumal die internationale Konkurrenz im nach­olympischen Jahr schon wieder heftig durch den WM-Pool tobte: US-Superstar Katie Ledecky merkte dank der venezianischen Diva Federica Pellegrini zwar erstmals, wie sich ein zweiter Platz bei einer WM anfühlt, zu fünf Goldmedaillen kraulte die 20-Jährige dennoch. Noch eine mehr ergatterte bei seiner WM-Premiere Ledeckys Landsmann Caeleb Dressel, nach seinem einmaligen Titel-Hattrick am Samstag hatte der 20-Jährige mit der amerikanischen Lagenstaffel beim Schlusstusch der Titelkämpfe sogar noch Chancen auf Gold Nummer sieben.

Branchenriesen wie die zaundürre Schwedin Sarah Sjöström oder der rotwangige Brite Adam Peaty schraubten die Weltrekord-Anzahl vor den abschließenden Finals auf neun. Beim DSV dagegen standen statt elegantem Gleiten doch wieder Verwerfungen und Pleiten im Vordergrund. Bei den letzten Vorläufen am Sonntag strandeten Jacob Heidtmann über 400 Meter Lagen und die männliche Lagenstaffel des DSV beim Versuch, ins Finale zu rutschen.

Marco Koch ging als amtierender Weltmeister über 200 Meter Brust im Halbfinale baden, kurz vor dem Start riss ihm das Innenfutter seiner Badehose.

Beim DSV ging es wieder um Pleiten und Verwerfungen

Die Berlinerin Lisa Graf, neben Hentke und Heintz die Einzige, die bei der Qualifikation die harten Normen in der offenen Klasse erfüllte, schluckte nach ihrem klaren Halbfinal-Aus über 200 Meter Rücken: „Dass die da vorne alle so schnell sind! Wahnsinn, was in der Schwimmer-Welt los ist.“

Und selbst Silber-Frau Hentke passierte im Moment des größten Erfolgs noch ein Malheur: Beim Abmarsch von der Siegerehrung knickte sie auf der letzten Stufe der Treppe noch um und zog sich eine Bänderdehnung zu. Andreas Morbach