Kein Thema für Themar

TERROR II Das zweite Nazikonzert zog weniger Besucher nach Südthüringen als vor zwei Wochen

Wenigstens der Rasen ist schön grün Foto: Sebastian Haak/dpa

THEMAR taz | Nur etwa 650 deutschnationale Rockfans zählte die Polizei bis zum frühen Samstagabend beim zweiten Nazikonzert im südthüringischen Themar. Vor zwei Wochen konnte die rechte Szene noch fast 6.000 Anhänger mobilisieren. Mit einer Demonstration am Veranstaltungszelt und einem Bürgerfest hielten etwa 400 Bürger und Bürgerbündnisse aus der Umgebung dagegen. Ein Polizeisprecher bezeichnete die Lage als wesentlich entspannter als vor zwei Wochen. Die Polizei hatte etwa 500 Einsatzkräfte zusammengezogen.

Die Stadt Themar gilt im Umgang mit Nazi-Events als vorbildlich. Der parteilose Bürgermeister Hubert Böse, Stadtrat, Bürger und Verein ziehen an einem Strang. An Stammtischen ist zwar auch hier das dumpfe Gebrüll des „Rocks für Identität“ zu vernehmen, und vor zwei Wochen übernachteten auch Gäste des Nazikonzertes in der Stadt. Aber die Stimmung auf dem Markt, wo die jugendliche Bigband „Singertaler“ einheizte, war ausgesprochen freundlich und einladend. Durchaus korpulente Männer zogen T-Shirts mit der parodierenden Frakturaufschrift „Die Vision – nazifrei – für Thüringen“ über, die ein Bündnis aus Schleusingen verkaufte.

Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte am vergangenen Mittwoch einen guten Stand im Schützenhaus, als er mit 400 erschienenen Bürgern das bevorstehende Nazikonzert besprechen wollte. Zwei Wochen zuvor hatte er noch angeregt, das Versammlungsrecht zu überprüfen, um solche sowohl ideologisch als auch kommerziell angelegten Events verbieten zu können. Das Regierungskabinett hat nun ein Gutachten dazu in Auftrag gegeben. Damit trifft Ramelow offenbar die Stimmung der Mehrheit in Themar. Sie versteht nicht, dass Gerichte sich machtlos geben oder die Polizei zu nachlässig, wenn sie das massenhafte Zeigen des Hitlergrußes vor zwei Wochen nicht einmal dokumentiert. „Rechtsberatung für Behörden“ forderte deshalb der Linken-Landtagsabgeordnete Tilo Kummer.

Von einem „zahnlosen Rechtsstaat, der an die Weimarer Republik erinnert“, sprechen deshalb besorgte Bürger. Ein älteres Ehepaar wünscht sich, dass die Nazis Zelt und Bühne vor dem Kanzleramt aufbauen sollten, „damit Frau Merkel endlich aufwacht“. Am Ort gäbe es weder Antifa noch eine rechte Szene, der Menschenschlag hier sei „eher ruhig und verhalten“. Doch dem ist nicht ganz so. Der Verfolgungsdruck in Bayern und die Verbindung zwischen Patrick Schröder und Tommy Frenck, der im Ortsteil Kloster Veßra einen Gasthof gekauft hat, lässt die Szene in Thüringen nach Ausweichorten suchen.

Einer, der diese Entwicklung mit Sorge betrachtet, ist „Prinz Chaos“. Für das kommende Jahr plant der Liedermacher einen „Sommer der Solidarität“.

Axel Schlimper von der Europäischen Aktion Thüringen hielt unterdessen eine Rede über „Volkszerstörer“. „Es ist nötig, sich immer wieder zum Rassismus zu bekennen“, sagte er offen. Und die einzig mögliche Form des Sozialismus sei der nationale Sozialismus. Die Polizei zählte bis zum frühen Abend elf Straftaten, darunter vier Propagandadelikte und sechs Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Michael Bartsch